Aus: Hallertauer Zeitung vom 1. März 2012
Gegen eine Asylbewerber-Massenunterkunft
Bis zu 80 Menschen im ehemaligen Supermarkt? — Kritik am Vorgehen der Behörden
Von Michael Betz
Au. Der Ärger war Bürgermeister Karl Ecker (FWG) am Dienstag anzumerken, als er den Marktgemeinderäten eine Mitteilung machte, die wie eine Bombe einschlug: Der Marktgemeinde könnte eine Massenunterkunft für Asylbewerber aufgezwungen werden. Mindestens 50, möglicherweise bis zu 80 dieser Menschen wollen Regierung von Oberbayern und Landkreis Freising demnach in einem lange leerstehenden Supermarkt in der Mainburger Straße einquartieren. Im Marktgemeinderat kündigte man Widerstand an gegen die aus Sicht der Räte „unmenschliche und unsoziale“ Massenunterkunft; für sinnvoll hält man allenfalls eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge.
Schon vor einigen Tagen war im Ort das Gerücht aufgetaucht, dass irgendetwas mit Asylbewerbern in der Marktgemeinde „am Laufen“ ist. Gewissheit wurde aus dem Gerücht dann am Dienstagabend, ganz am Ende des öffentlichen Teils der Marktgemeinderats-Tagesordnung. Als ein „für den Markt nicht sehr leichtes Thema“ kündigte Bürgermeister Karl Ecker die geplante Asylbewerber-Unterkunft an und umriss die derzeitige Sachlage: Demnach habe ein Privatmann der Regierung von Oberbayern den leerstehenden ehemaligen Supermarkt an der Mainburger Straße 15 als Unterkunft für Asylbewerber angeboten, vorausgegangen waren diverse öffentliche Appelle des Landratsamtes als zuständiger Behörde vor Ort, dass man solche Unterkünfte dringend anmieten will.Eine Kommission der Regierung habe dann am vergangenen Freitag das Gebäude besichtigt, begutachtet und für geeignet befunden, berichtete der Bürgermeister über den weiteren Werdegang der Ereignisse, wie er ihn teilweise in den Stunden vor der Sitzung am Dienstag rekonstruiert habe. „50 Personen und mehr will man da drin unterbringen, wenn der zweite Stock ausgebaut wird, sollen 80 Asylbewerber in dem Gebäudekomplex Platz finden“, erklärte ein konsternierter Bürgermeister den ebenso fassungslosen Mitgliedern des Marktgemeinderates. Und er machte gleich noch deutlich, dass es keine kurzfristige Unterbringung sein werde: „Das bleibt dann wohl.“Der Blick in und um das Gebäude macht deutlich, an welcher Stelle die Behörden Menschen leben lassen wollen: Alles rund um den ehemaligen Supermarkt ist gepflastert, kein Garten, kein Grün. Die Rückfront, früher offenbar die Warenanlieferung des Supermarktes, ist mit stählernen Spundwänden in den Boden versenkt, die Fenster sind teilweise vergittert — ein reiner Zweckbau. Das Erdgeschoß bildet nahezu komplett ein großer Raum, wie man ihn eben für den Supermarkt benötigt hat. Entsprechend schockiert zeigte sich Bürgermeister Ecker am Dienstag, hier 80 Asylbewerber unterbringen zu wollen: „Da wird nicht überlegt, das ist unsozial und unmenschlich“, übte er scharfe Kritik an den Behörden, die hinter diesen Plänen stecken.Dass die Gemeinde bisher nicht gefragt worden sei und man ihr „von oben“ in dieser Sache auch kaum Mitspracherecht zugestehe, ärgerte den Bürgermeister besonders: Beim Besuch der Regierungs-Delegation am Freitag sei der Markt weder informiert noch eingeladen worden. „Bei der Regierung habe ich auf Nachfrage später nur die Antwort bekommen, dass man überhaupt keine Unterkünfte bekommen würde, wenn man bei jeder Gemeinde erst vorher fragt“, schimpfte Karl Ecker. Auch welche Nationalitäten überhaupt nach Au kommen sollen, liege völlig im Dunkeln.Deutlich machte Ecker in diesem Zusammenhang, dassman in Au nicht prinzipiell gegen die Aufnahme einer gewissen Zahl von Asylbewerbern sei, sondern nur gegen die offenbar geplante Massenunterkunft: „Als Christen verschließen wir uns der Not der Flüchtlinge nicht, aber nicht in dieser Form.“ Ecker hielt eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge für das Gebot der Stunde — wenn der Landkreis Freising, wie er erfahren habe, 133 Asylbewerber aufzunehmen habe und bereits 41 dezentral in Wang und Freising untergebracht worden seien, dann sei es nicht zu akzeptieren, wenn der Markt Au fast den gesamten Rest der Gruppe zugewiesen bekomme. Wie in der Sitzung vorgerechnet wurde, hat der Markt schließlich gerade einmal einen Anteil von 3,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung des Landkreises Freising von rund 167000 Menschen.Bürgermeister Ecker konnte im Rahmen der Sitzung bereits von Kontakten mit Landrat Michael Schwaiger (Freie Wähler) berichten, außerdem mit den beiden Abgeordneten Florian Hermann (CSU) und Manfred Pointner (Freie Wähler). Beide Abgeordnete hätten die Frage gestellt, ob so ein Vorhaben an dieser Stelle überhaupt städtebaulich integriert werden könne. „Da sind schließlich rundherum Einfamilienhäuser“, betonte Karl Ecker. Die einzige derzeit gangbare Möglichkeit für den Markt, sich zu wehren, laufe offenbar über das Baurecht oder die Planungshoheit. „Eventuell ist über eine Veränderungssperre etwas zu machen“, kündigte der Bürgermeister erste Ideen an.Die Hiobsbotschaft für die Gemeinde brachte den Auer Bürgermeister am Dienstag auch noch zu grundlegender Kritik: „In diesem Fall werden die günstigeren Mietpreise in Au gegenüber Eching oder Freising zu einem Standort-Nachteil.“ Der Bund verkaufe seine Immobilien massenhaft, auf dem ehemaligen Kasernengelände in Freising würden Nobelwohnungen entstehen, in Au vergolde jemand seine private Bauruine. „Es ist schlimm, dass in unserem Staat das Kapital immer wieder vorherrscht“, kritisierte der Bürgermeister. Auf etwaigen Folgekosten für die Betreuung der Flüchtlinge bleibe letztlich wieder die Gemeinde sitzen, spätestens auf dem Umweg über die Kreisumlage. Aber Ecker kündigte Widerstand an: „Da werden sie sich in Au einen Schiefern einziehen.“
Bildunterschrift:
Mainburger Straße 15 im Markt Au: In diesem ehemaligen Möbelhaus und Supermarkt, eine Zeitlang auch Saal der Narrhalla Au, könnten schon bald 50 bis 80 Asylbewerber untergebracht werden. Der Besitzer will das Gebäude dazu der Regierung von Oberbayern zur Verfügung stellen.Fotos: Betz
Skepsis quer durch das Gremium
Marktgemeinderäte fordern dezentrale Unterbringung der Asylbewerber
Von Michael Betz
Au. Solidarität und Mitgefühl mit den Flüchtlingen, aber Kritik an den Plänen für eine Asylbewerber-Massenunterkunft im Markt — auf diesen Nenner lässt sich die Diskussion bringen, die sich am Dienstag im Marktgemeinderat nach der Ankündigung von Bürgermeister Ecker entwickelte, Regierung und Landkreis planen die Unterbringung von 50 bis 80 Asylbewerbern in einem ehemaligen Supermarkt in Au.
Auch wenn grundsätzlich Fassungslosigkeit und Skepsis herrschten angesichts der Informationen, die der Bürgermeister den Markträten zu den Plänen für eine Asylbewerber-Massenunterkunft gegeben hatte, blieben die Kommunalpolitiker am Dienstag nicht sprachlos. Den Anfang in der Debatte machte Alfons Butt (FWG). Er zog Parallelen zwischen der qualvoll engen Unterbringung von 80 Menschen im ehemaligen Supermarkt und der Massentierhaltung: „Bei einem Hühnerstall macht man dann einen Aufstand.“ Und der Staat investiere in eine Schrott-Immobilie, gleichzeitig bekomme Au keine Realschule, zeigte er sich enttäuscht.Dass hier Menschen vom Staat schlechter behandelt würden als Tiere, wurde allgemein so gesehen. Erika Wittstock-Spona (FWG) hielt es entsprechend für „absolut unmenschlich, die Menschen so zusammenzupferchen“. Ein derart enges Zusammenleben werde Probleme verursachen. Vor möglichen „Spannungen in der Gesellschaft“ hatte zuvor auch schon Bürgermeister Karl Ecker gewarnt. Marktrat Gerhard Stock (FWG) pochte darauf, dass man in dieser Sache Unterstützung vom Landrat erwarte. Martin Hellerbrand (CSU/PfW) wusste zu berichten, dass im benachbarten Nandlstadt die gesammelte Unterbringung von Asylbewerbern einiges Konfliktpotenzial mit sich brachte. „Schließlich werden da verschiedene Nationalitäten auf engem Raum zusammengepfercht.“Heiner Barth (FWG) wies auf das Problem hin, dass etwaige Asylbewerber in Au wenig Möglichkeiten der Mobilität hätten: „Die können höchstens mit dem Linienbus zweimal am Tag hier raus.“ Hans Sailer (FWG) sah die Massenunterkunfts-Planungen als Beleg einer generell verfehlten Asylpolitik: „Man sperrt scheinbar die Leute möglichst eng zusammen und hofft, dass sie dadurch möglichst schnell wieder gehen.“Zweiter Bürgermeister Karl Dreier, der in Vertretung von Bürgermeister Ecker überhaupt die erste Information zu den Planungen vom Landratsamt erfahren hatte, erzählte von diesem Telefonat: „Der Landkreis hat von der Regierung von Oberbayern die Order bekommen, dass er Unterkünfte suchen muss.“Allen Wortbeiträgen und den Ausführungen von Bürgermeister Karl Ecker war am Dienstag gemeinsam, dass man nichts gegen die Asylbewerber an sich hat und ihre Situation nachvollziehen kann; Martin Linseisen (CSU/PfW) brachte das Dilemma in Au nochmals auf den Punkt: „Wir verschließen uns der Verantwortung für die Asylbewerber nicht. Aber es muss landkreisweite Gerechtigkeit herrschen.“
Viele Einschränkungen für Asylbewerber
Au. (be) Wenn es in Au zur Einrichtung einer Massenunterkunft für Asylbewerber kommt und dort Flüchtlinge einquartiert werden, die gerade erst ins Land gekommen sind, dann erwarten diese Menschen rechtlich diverse Einschränkungen: Zunächst wäre hierbei die Residenzpflicht zu nennen. Diese gilt für die meisten Asylsuchenden und legt fest, dass der Asylbewerber sich im Landkreis der für ihn zuständigen Ausländerbehörde aufzuhalten hat. Für Asylbewerber in Au wäre dann beispielsweise Mainburg tabu, sonst drohen Strafen. Im ersten Jahr ihres Aufenthaltes gilt für Asylbewerber ein absolutes Arbeitsverbot, das danach laut verschiedenen juristischen Quellen auch nur in relativ eng begrenzten Fällen aufgehoben werden kann. Pro Monat erhalten alle Asylbewerber über 14 Jahre einen Bargeldbetrag von 40,90 Euro, dieser soll die Deckung von Grundbedürfnissen wie Mobilität und Kommunikation ermöglichen und die Sachleistungen ergänzen, die die Asylbewerber laut Gesetz für Unterkunft, Hausrat, Ernährung, Kleidung und Körperpflegebedarf bekommen.
Regionalfenster für Seite 1 der Gesamtausgabe vom 1. März 2012:
Asylbewerber in altem Supermarkt?
Au will sich gegen Massenunterkunft für bis zu 80 Flüchtlinge wehren
Au/Hallertau. (be) Widerstand regt sich gegen eine geplante Massenunterkunft für Asylbewerber in der Marktgemeinde Au: Nachdem am Dienstag auf der Sitzung des Marktgemeinderates Informationen offiziell geworden waren, dass möglicherweise zwischen 50 und 80 Flüchtlinge in der 5500-Einwohner-Gemeinde im nördlichen Landkreis Freising einquartiert werden sollen, sieht man sich vor Ort regelrecht überfahren von den Planungen: „Au wurde im Vorfeld nicht informiert. Wo bleibt da die Planungshoheit der Gemeinde?“, kritisierte Bürgermeister Karl Ecker (Freie Wähler) das Vorgehen der Behörden. Besonders skeptisch steht man vor Ort dem Vorhaben von Regierung und Landratsamt gegenüber, die Asylbewerber in einem ehemaligen Supermarkt unterzubringen, der seit Langem leer steht. Dass dies menschenunwürdig sei und Spannungen innerhalb der Gesellschaft heraufbeschwöre, kritisierten die Markträte. Nun will die Kommune alle Hebel in Bewegung setzen, um eine dezentrale Unterbringung der Asylbewerber im Kreis zu erreichen. „Wir verschließen uns der Not der Flüchtlinge nicht“, betonte Ecker, aber in der vorgesehenen Form halte man diese Art der Unterkunft für unsozial und unmenschlich.
Bildunterschrift:
Ein ehemaliger Supermarkt an der Mainburger Straße in Au wird als mögliche Massenunterkunft für Asylbewerber ins Auge gefasst. (Foto: Betz)