Verfasst von: LAndsichten | 27. Februar 2012

Die Last des Alltags gemeinsam tragen

Aus: Hallertauer Zeitung vom 27. Februar 2012

Die Last des Alltags gemeinsam tragen
Seit 2008 gibt es die Nachbarschaftshilfe — Hilfe für Familien und Senioren

Von Michael Betz

Au. Es wäre das klassische Idealbild menschlichen Zusammenlebens: Jeder Bürger hat sein positives Umfeld, wo man sich unter Nachbarn schnell und ohne großes Aufhebens gegenseitig hilft. Aber wie es so ist mit Idealbildern — sie sind der Ausnahmefall in einer Zeit der Vereinsamung und Entfremdung zwischen den Menschen, in einer Zeit sozialer Kälte. Hier setzen die Ehrenamtlichen der Nachbarschaftshilfe im Markt Au an: Sie helfen Familien, Kranken und Senioren einfach und schnell, „wenn Not am Mann“ ist.

„Einer trage des anderen Last“ heißt es als Leitmotiv über dem aktuellen Informationsblatt der Nachbarschaftshilfe Au. Der Satz aus dem Galaterbrief der Bibel ist gewissermaßen der Gegenentwurf zu einer Gesellschaft, wo heute fast nur noch Erfolg und Ellenbogen zählen. Soziales Verhalten wird in Zeiten des Freien Marktes schnell als Schwäche interpretiert, ausgenutzt oder verlacht — doch vor allem in den Kirchen gibt es trotzdem oder immer noch Menschen, die durch persönlichen Einsatz diesem Trend entgegenwirken. Auf eine Initiative der evangelischen Kirchengemeinde Au geht die Gründung der Nachbarschaftshilfe Au zurück, wie Elke Raulf am Rande einer Spendenübergabe an die Organisation im Dezember 2011 erzählte.Sie ist die Leiterin der Gruppe, die momentan 16 Frauen und einen Mann umfasst. „Alle unsere Helfer sind ehrenamtlich unterwegs, also ohne Entlohnung. Sie bringen nicht nur viele Stunden ihrer Freizeit ein in diesen Dienst, sondern tragen oft auch Kosten, die sich aus ihm ergeben, selbst“, beschreibt Elke Raulf die Anstrengungen der Aktiven. An jedem dritten Mittwoch des Monats treffen sich die Aktiven um 16 Uhr im Seniorenheim in Au. Dazu sind auch immer „Junge, Dynamische, Ältere, Erfahrene, Kreative und viele mehr“ als neue Mitstreiter willkommen, die ein bis zwei Stunden pro Woche erübrigen können.Seit Februar 2008 wird auf diese Weise Familien, Kranken, Behinderten und Senioren geholfen. Das Spektrum der möglichen Unterstützungen für den Alltag ist dabei breit gefächert: Für Familien können Babys und Kinder beaufsichtigt werden, Kinder zum Kindergarten oder zur Schule gebracht werden, die Nachbarschaftshilfe kann auch bei Einkäufen oder Behördengängen unterstützen. Zeitlich begrenzte Handreichungen im Haushalt sind möglich, ebenso die Vermittlung von Schuldnerberatung bei drohender Obdachlosigkeit. Senioren können mit den Aktiven der Nachbarschaftshilfe Spazieren gehen, Karten spielen, lesen oder den Hund Gassi führen.Die bürokratischen Hürden des täglichen Lebens überfordern viele Menschen — doch auch hier kann die Nachbarschaftshilfe unterstützend eingreifen: Eine Frau aus dem Mitarbeiterkreis hat eine Spezialausbildung als Ämterlotsin bei der Caritas absolviert. „Sie kann kompetent helfen beim Ausfüllen von Hartz IV-Anträgen, Anträgen auf Kindergeld oder ähnlichem“, zählt Elke Raulf auf.Dies zeigt das weite allgemeine Feld an Unterstützungsangeboten durch die Nachbarschaftshilfe, aber auch in mehreren ganz konkreten Fällen konnte im Jahr darüber hinaus geholfen werden: So wurde der Landschulaufenthalt eines Grundschülers finanziert, Krankenfahrten eines behinderten Seniorenheimbewohners oder bei Heizölkosten für eine alleinerziehende Mutter geholfen. Außerdem leistet die Nachbarschaftshilfe auch Integrationsarbeit für Vorschul- bzw. Grundschulkinder mit deutschem Sprachunterricht und Hausaufgabenhilfe in Zusammenarbeit mit der Grundschule Au.Die rein wirtschaftlich geprägte Gesellschaft, die von ihren Jungen am liebsten eine unbegrenzte Mobilität fordern würde, hinterlässt damit ein nicht zu übersehendes Heer an einsamen Senioren. Für sie macht die Zerschlagung überlieferter familiärer Strukturen im Alter oft den Weg ins Heim unvermeidlich. Auch dort hilft die Nachbarschaftshilfe, die Last von Vereinsamung und Krankheit zu tragen: Es gibt einen guten Kontakt zur Heimleitung und zu den Mitarbeiterinnen im Seniorenheim Au, einige der Helferinnen der Nachbarschaftshilfe sind auch als Begleiterinnen im Seniorenheim engagiert und leisten unter anderem Dienste auf der Demenzstation. — Und helfen damit ihren Mitmenschen, ihre Lasten wenigstens zeitweise nicht ganz allein tragen zu müssen.

 

Bildunterschrift:

Aus einer Initiative der evangelischen Kirchengemeinde Au ging die Nachbarschaftshilfe 2008 hervor; seitdem helfen die Ehrenamtlichen den Familien, Senioren, Kranken und Behinderten in der Marktgemeinde. Foto: Betz


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