Verfasst von: LAndsichten | 24. Oktober 2009

Volksbund-Reise 2009 – Teil 1

Aus: Landshuter Zeitung vom 24. Oktober 2009

Die große Geschichte auf kleinem Raum
Danzig und seine Bedeutung im Zweiten Weltkrieg – Soldatengräber als Mahnung

Von Michael Betz

Gedenkkränze mit rot-weißen Schleifen liegen vor den Steinkreuzen. Ein Adler wacht als eisernes Relief über den Toten. Unter den Steinplatten liegen polnische Soldaten, Gefallene der ersten Kämpfe des Zweiten Weltkrieges. Hier auf der Westerplatte, einer kleinen Insel vor dem Hafen von Danzig, ist ein Ort, wo sich Geschichte konzentriert: Von hier nahm vor fast genau 70 Jahren der Zweite Weltkrieg seinen Anfang. An die Toten des Krieges und die Opfer der Gewalt in diesem Teil Polens erinnern heute Denkmäler und Friedhöfe. Um die Pflege deutscher Soldatengräber kümmert sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der mit einer Pressefahrt bayerische Journalisten über seine Arbeit rund um Danzig und in ganz Polen informierte.

Polen, Deutsche, der Zweite Weltkrieg — das sind auch heute, siebzig Jahre nach Beginn des Krieges, noch Themenfelder, die viel Sensibilität erfordern. Sechs Jahre hatte Polen unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu leiden, die nach dem Überfall am 1. September 1939 und dem schnellen deutschen Sieg im „Polenfeldzug“ errichtet worden war. Und auch in den von Deutschen besiedelten Gebieten wie etwa Danzig, forderte das Regime seine Opfer. In Polen standen die großen Konzentrationslager, wo planmäßig der Völkermord an den europäischen Juden begangen wurde. Und in den damals zum Deutschen Reich gehörenden Teilen des heutigen Polen trafen 1944/1945 Flucht und Vertreibung die Deutschen. Neues Leid, neues Unrecht — und das Ende einer jahrhundertelangen deutschen Prägung einiger heute polnischer Regionen und Städte wie zum Beispiel Danzig und eines lange Zeit friedlichen Zusammenlebens.Im deutschen Danzig der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg war die Westerplatte ein polnischer Hafen-Stützpunkt. Heute ist die inselartige Sandbank vor dem Danziger Hafen ein Gedenkpark. Im Zentrum steht eine 23 Meter hohe Granit-Stele auf einem künstlichen Hügel, das „Denkmal der Verteidiger der Küste“. Die Betonruinen einer Kaserne stehen beim Weg zum Denkmal, davor sind die Gräber der Verteidiger dieses Ortes: 218 polnische Soldaten unter dem Kommando von Major Henryk Sucharski kämpften vom 1. bis zum 8. September hier, 15 von ihnen fielen, der Rest ging in Gefangenschaft. Die Gräber sind heute Symbole des polnischen Widerstandes gegen den deutschen Angriff. Und wo im Hafenbecken schräg gegenüber der Westerplatte heute Frachter und Fährschiffe vor Anker liegen, schoß am 1. September 1939 um 4.45 Uhr (also eine Stunde früher als damals offiziell bekanntgegeben) das deutsche Marine-Schulschiff „Schleswig-Holstein“ auf die polnischen Stellungen.Der deutsche Überfall auf Polen war der Tiefpunkt der Beziehungen zwischen den Nachbarländern, wo jahrhundertelang Nationalitätenfragen keine problematische Rolle gespielt hatten, auch in Danzig nicht: 1308 kam die Stadt an der Weichselmündung unter die Herrschaft des Deutschen Ritterordens. Sie erfuhr in den folgenden Jahrzehnten einen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde Mitglied der Hanse. Mitte des 15. Jahrhunderts begab sich Danzig unter den Schutz des polnischen Königs, 1793 kam es im Rahmen der Aufteilung Polens zwischen Preußen, Russland und Österreich zu Preußen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Nationalitätenfrage zu einem Problem, das letztlich in Gewalt mündete: Im Versailler Vertrag wurde Danzig zum Freistaat erklärt und zudem vom übrigen Reichsgebiet abgetrennt, Polen erhielt durch den sogenannten „Korridor“ einen Zugang zur Ostsee.Über Jahrhunderte wechselnder deutscher und polnischer Herrschaft blühte Danzig; viele der prachtvollen Bauten der Altstadt waren während der polnischen Herrschaft entstanden — kulturelle Toleranz war lange Zeit möglich. Als diese Toleranz durch den Nationalismus zerstört wurde, waren die Folgen für Danzig katastrophal: 95 Prozent der Altstadt wurden durch zwei schwere Luftangriffe 1942 und 1943 sowie im Frühjahr 1945 bei der Einnahme durch die Sowjets zerstört. Und ganz Polen wurde ein Schlachtfeld: 468000 deutsche Gefallene der Kämpfe 1939 und 1944/1945 beim sowjetischen Vormarsch liegen heute in Polen begraben.Seit 1991 kann der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Polen arbeiten und baute seitdem mehrere Sammelfriedhöfe und sanierte zudem Gräber des Ersten Weltkrieges, als hier Deutsche gegen Russen kämpften. In Danzig gibt es ein Gräberfeld mit 720 Toten des Zweiten und rund 1000 Toten des Ersten Weltkrieges. Dieser Soldatenfriedhof ist Teil des städtischen Friedhofs von Danzig. Im Rahmen der Volksbund-Pressefahrt wurde auch der deutsche Soldatenfriedhof Mlawka besucht, er liegt etwa auf halbem Weg zwischen Warschau und Danzig. Hier wurde zwischen 1940 und 1944 von der deutschen Wehrmacht ein Gräberfeld angelegt. Zu den 1300 damals bestatteten Soldaten kamen in den 90er Jahren noch rund 10000 Gefallene hinzu, die der Volksbund auf der 1995/1996 neu gestalteten Anlage bestattete.Unabhängig von einer politisch-gesellschaftlichen Bewertung des Krieges und seiner Folgen sind die Gräber eine Mahnung gegen Krieg und Gewalt. Gerade in Polen kann durch die Kriegsgräber „eine gemeinsame schmerzliche Vergangenheit geschlossen werden ohne sie zu vergessen“, wie von polnischer Seite bei der Einweihung eines deutschen Soldatenfriedhofes betont wurde. So wurde und wird aus dem leidgeprüften Land zwischen Danzig und Ostpreußen kein Schauplatz mehr für Krieg und Gewalt — und aus Polen und Deutschen werden ganz normale und gute Nachbarn.

Terror, Flucht und Abwehrkampf
Das Ende des Zweiten Weltkrieges an der Ostseeküste

Anfang und Ende des Zweiten Weltkrieges sind eng mit der Stadt Danzig verbunden: Hier fielen schon am ersten Tag dieses Krieges Schüsse, in der Region um die Stadt herum wurde noch im Mai 1945 gekämpft. In einem kleinen Ort nahe Danzig zeigten sich auch Rassenwahn und politischer Terror des NS-Regimes: Im Konzentrationslager Stutthof wurden zehntausende Polen, Juden und Osteuropäer ermordet.

1939 waren die Kämpfe um Danzig relativ schnell beendet: Acht Tage nach dem Kriegsbeginn am 1. September kapitulierten die polnischen Truppen auf der Insel Westerplatte vor Danzig. Doch schon am ersten Tag des Krieges begann der braune Terror: Sofort wurden 1500 Bürger Danzigs festgenommen, vor allem im wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Leben aktive Polen. 150 von ihnen wurden am 2. September nach Stutthof östlich von Danzig gebracht. Hier baute das Regime ein Konzentrationslager, das bis Mai 1945 in Betrieb blieb. Männer, Frauen und Kinder aus ganz Europa wurden hier interniert, rund 70000 Menschen wurden im Lager ermordet — Gaskammer und Krematorium sind noch heute im Lager als Zeugnisse diesesSchreckens zu sehen.1945 zeigten sich in der Region Danzig die beiden Seiten des Kampfes der Wehrmacht: Auf der einen Seite ermöglichte der Widerstand deutscher Soldaten gegen die Sowjets trotz einer aussichtslosen Kriegslage noch die Flucht hunderttausender Zivilisten, andererseits nutzte das Regime den Schutz dieser Front, um den Terror seiner SS-Truppen im KZ Stutthof fortzusetzen. Seit dem 12. Januar 1945 stemmten sich die Deutschen gegen eine sowjetische Großoffensive. Die deutsche Zivilbevölkerung aus dem Raum zwischen dem Baltikum, Ostpreußen und Danzig floh vor der Roten Armee. Die Wehrmacht sicherte durch die Verteidigung der Küste bei Danzig den Flüchtlingen das Entkommen auf Schiffen über die Ostsee nach Westen.Auch wenn die Sowjets Ende März Danzig einnehmen konnten, kämpfte die Wehrmacht weiter im Raum östlich zwischen Danzig und der Ostseeküste, dabei trug die Hauptlast der Kämpfe die 7. Infanteriedivision, in der zum großen Teil Soldaten aus dem Großraum München dienten, Teil der Truppe war auch das Infanterieregiment 62 mit dem Heimatstandort Landshut. 200 Quadratkilometer Fläche hatte im Frühjahr 1945 der Kessel, den die Deutschen noch hielten.Innerhalb des Kessels lag auch bis zu ihrer Aufgabe am 18. März 1945 die Marienburg, Sitz des Deutschen Ordens im Mittelalter und größte Backsteinburg Europas. An dieser Stelle schließt sich der geschichtliche Kreis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges wieder: Um dieses einst als Nationalsymbol geltende Bauwerk kämpften bei Kriegsende 1945 unter anderem auch Marinesoldaten von der „Schleswig-Holstein“, dem Schiff, das am 1. September 1939 den Krieg bei Danzig begonnen hatte.

Bildunterschriften:

Das Denkmal der Verteidiger der Stellung Westerplatte bei Danzig und die Gräber der polnischen Gefallen vom September 1939.
Der Friedhof Bartosze (Bartossen) im ehemaligen Ostpreußen ist einer großen Sammelfriedhöfe, die der Volksbund für deutsche Gefallene in Polen angelegt hat.

Krematorium (rechts) und Gaskammer des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig, das heute als Gedenkstätte zu besichtigen ist.

Die Altstadt von Danzig mit dem Krantor aus dem 14. Jahrhundert, einer alten Ladeeinrichtung für Schiffe. — Auf dem deutschen Soldatenfriedhof Mlawka zwischen Warschau und Danzig liegen 11433 deutsche Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges. (Fotos: Michael Betz)

Verfasst von: LAndsichten | 24. Juli 2009

Kraftwerks-Betreiber wehrt sich

Aus: Landshuter Zeitung vom 24. Juli 2009

Kraftwerks-Betreiber wehrt sich
EON und Ministerium weisen Vorwürfe der Grünen gegen Isar 1 zurück
Von Michael Betz

Mit einer Studie im Rücken, die das Kernkraftwerk Isar 1 im Landkreis Landshut als „Sicherheitsrisiko“ einstufte, gingen am Mittwoch die Landtags-Grünen an die Medien, um die Abschaltung des in ihren Augen veralteten Reaktors zu fordern. Dieser Forderung traten am Donnerstag sowohl der Betreiber EON Kernenergie als auch das Bayerische Umweltministerium entgegen und bezeichneten die Bedenken und Vorwürfe der Grünen als haltlos.

Bei der Zentrale des Kraftwerks-Betreibers EON-Kernkraft in Hannover hielt man sich kurz in einer Pressemitteilung vom Mittwoch abend: „Das Kernkraftwerk Isar 1 (KKI 1) entspricht in jeder Hinsicht den Anforderungen des Atomgesetzes und wird gemäß den Vorgaben sicher und zuverlässig betrieben“, heißt es darin.Ergänzend erklärte dazu KKI-Pressesprecher Johann Seidl am Donnerstag gegenüber derLandshuter Zeitung, dass keiner der Studienersteller bis dato im Kernkraftwerks Isar 1 war. Isar 1 habe zudem 2008 an 365 Tagen im Dauerbetrieb Strom geliefert, auch ansonsten habe es keine ungeplanten Unterbrechungen des Betriebes gegeben, betonte Seidl. Überdies hob Seidl die „offene und umfassende Informationenspolitik des Betreibers EON hervor“.Ebenso wies Seidl vor dem Hintergrund des als „veraltet“ dargestellten Kraftwerkes darauf hin, dass der Betreiber von Block 1 der Kernkraftwerke Isar mittlerweile mehr Geld in Nachrüstungen bei der Anlage investiert habe als der Bau des Atomkraftwerkes seinerzeit gekostet habe. Unter anderem verfüge Isar 1 über eine der modernsten Schaltwarten in Deutschland, das Personal werde unter anderem im Simulatorzentrum in Essen umfassend dafür geschult. „Auch die letzte periodische Sicherheitsüberprüfungen hat ergeben, dass Isar 1 auf einem hohen Sicherheitsniveau betrieben wird“, hielt Seidl den Kritikern entgegen.In einer Studie, die der Physiker Wolfgang Neumann im Auftrag der Grünen erstellt hatte (die Landshuter Zeitung berichtete in der Donnerstagsausgabe) wird Isar 1 als „nicht vernachlässigbares Sicherheitsrisiko“ bezeichnet. Deshalb sollte eine vorzeitige Stilllegung ernsthaft geprüft werden, heißt es vom Gutachter als Fazit. Auch die Sicherheit gegen terroristische Angriffe mit Flugzeugen oder Flugzeugabstürze hielt der Gutachter für nicht ausreichend. Dazu forderte der energiepolitische Sprecher der Landtags-Grünen, Ludwig Hartmann, ebenfalls die vorzeitige Stilllegung von Isar 1, da dessen Schwachstellen durch Nachrüstung nicht beseitigt werden könnten. „Auch Ludwig Hartmann“, so Seidl, „war noch nie im KKI“.Auch das Bayerische Umweltministerium weist die Kritik der Grünen zurück: „In Isar 1 finden pro Jahr rund 1000 Prüfungen statt. Es gibt keine Sicherheitsmängel. Der Verfasser der Studie gehört nicht zu den anerkannten Prüfern“, sagte eine Sprecherin in München angesichts der jüngsten Grünen-Forderung.

Kommentar: Virtuelle Gefahr statt rationalen Argumenten

Von Michael Betz

Die Grünen im Landtag haben ihre Wähler und sicher einige andere Bürger zufriedengestellt, indem sie die Abschaltung älterer Kernkraftwerke gefordert haben. Untermauert diesmal mit einer Studie, wie unsicher diese Anlagen angeblich sind und argumentativ flankiert von Aussagen, dass Terroristen in den Einrichtungen lohnende Ziele für Anschläge mit Flugzeugen finden könnten.

Vor dem Hintergrund der miserablen Öffentlichkeitsarbeit von Vattenfall und dessen kritikwürdigem Umgang mit Pannen in seinen Kraftwerken kommen natürlich Zweifel auf: Ist ein Atomkraftwerk bei einem börsennotierten Unternehmen, dessen Ziel zwangsweise Gewinn sein muss, generell in den richtigen Händen? Ein Gewinn, der entweder durch hohe Preise (das scheidet wegen der Konkurrenz aus) oder durch innere Effizienz (also günstige Produktion und Sparsamkeit) erwirtschaftet werden muss. Eine Energiewirtschaft mit staatlichen Verflechtungen wie vor der Liberalisierung des Strommarktes würde das Gewinnstreben als denkbare Quelle von Sicherheitsrisiken vielleicht reduzieren — aber möglich ist diese „Systemfrage“ eben nicht, weil politisch und wirtschaftlich nicht durchsetzbar. Und sie ist auch letztlich nicht nötig, weil die Atom-Unsicherheit eben nicht so groß ist, wie es die Ökogruppen immer wieder glauben machen wollen.Statt sich in unserem Land rational mit der verantwortlichen Nutzung einer klimafreundlichen Energietechnologie auseinanderzusetzen, werden Ängste geschürt, wird ein (selbstverständlich vorhandenes) Risiko durch dauernde Wiederholung virtuell multipliziert, anstatt es durch gemeinsame Anstrengungen für diese Technologie zu beherrschen und zu minimieren. Und das aufgeplusterte Risiko wird dann noch ergänzt durch allenfalls theoretische Gefahren wie den Terrorismus. Offenbar steckt das Klischeebild des islamistischen Selbstmordattentäters sehr hartnäckig in den Köpfen eines sonst so multikulturell aufgeschlossenen Teils der Politik. Das deutet auf eine gewisse Flexibilität hin, wenn es gilt, die politische Meinung dem aktuellen politischen Ziel unterzuordnen. So bleibt auch diesmal nicht viel mehr aus den Anträgen als Wiederholungen und die Verwechslung teils politisch motivierter Gutachten mit Fakten. Dazu hatte übrigens schon Herr Goethe, jeglicher Kernkraft-Meinung unverdächtig, einen Satz parat: „Getretener Quark wird breit — nicht stark.“

Verfasst von: LAndsichten | 18. Juni 2009

Wenn der Terrorist mit dem Flieger kommt

Aus: Landshuter Zeitung vom 18. Juni 2009

Wenn der Terrorist mit dem Flieger kommt
Politische Aufregung über Studie zur Terroristen-Sicherheit von Kernkraftwerken

Von Michael Betz

Es ist der erwartungsgemäße Aufschrei in der politisch-ökologischen Ecke: „Kernkraftwerk Isar 1 abschalten“ — das ist der gesammelte Inhalt mehrerer Presseerklärungen, die von den beim Thema Atomstrom üblichen Absendern gestern veröffentlicht wurden. Hintergrund sind „Enthüllungs-Berichte“ des ZDF-Magazins „Frontal 21“ über eine geheime und damit angeblich skandalös verheimlichte Untersuchung der Sicherheit älterer deutscher Kernkraftwerke gegenüber terroristisch gesteuerten Flugzeugabstürzen. Allerdings betonte Kernkraftwerks-Betreiber E.ON am Mittwoch auf Nachfrage der Landshuter Zeitung, dass es keine neuen Gefährdungen oder Erkenntnisse gebe.

Mit „Terrorgefahr bei Isar 1“ betitelt Grünen-Politikerin Rosi Steinberger ihre Pressemitteilung vom Mittwoch. Dabei geht sie im Namen von Grünen-MdB Toni Hofreiter wie gewohnt harsch mit der Kernenergie ins Gericht. Die Grünen fordern gebetsmühlenartig die Abschaltung der „alten Reaktoren“ in Deutschland. „Diese Forderung hat nun neue Nahrung bekommen“, meinen die Grünen.Ein Gutachten der internationalen Länderkommission Kerntechnik (ILK) sei einem Fernsehmagazin zugespielt worden; dieses besagte Gutachten ist aber aus dem November 2002 datiert und wurde bereits veröffentlicht. Dieses Gutachten habe laut den Grünen nun ergeben, dass vor allem bei älteren Kernkraftwerken im Falle eines terroristischen Angriffs mit Freisetzungen von Radioaktivität gerechnet werden müsse. „Das Ergebnis liegt zwar schon seit 2002 vor, wurde aber der Öffentlichkeit bisher vorenthalten“, ist die Überzeugung der Grünen.“Aus gutem Grund“, meint Rosi Steinberger, Bezirksvorsitzende der Grünen in Niederbayern: „Wenn man die Ergebnisse nämlich ernst nehmen würde, müsste man die hoch gefährdeten Kernkraftwerke wie Isar 1 sofort abschalten.“ Denn die terroristische Gefahr in der Bundesrepublik sei hoch, so eine von den Grünen zitierte Lageeinschätzung des Bundeskriminalamts. Dabei müsse auch von terroristischen Anschlägen auf Kernkraftwerke ausgegangen werden. Alle Versuche nach 2001, die Kraftwerke gegen Angriffe zu schützen, seien ins Leere gelaufen. Denn weder die Vernebelung, noch die Störung von GPS-Signalen seien realisiert worden. Auch das gezielte Abschießen von entführten Flugzeugen sei als verfassungswidrig abgelehnt worden.

Auch Greenpeace meldete sich in der jüngsten Debatte am Mittwoch zu Wort: Greenpeace-Recherchen zu den ältesten Atomkraftwerken belegten laut einer Pressemitteilung des Verbandes „das enorme Ausmaß der Katastrophe bei einem schweren Reaktorunfall“. Bei vielen Anwohnern der Atomkraftwerke Biblis A und B, Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1 würde demnach die radioaktive Kontamination bereits innerhalb weniger Stunden den behördlichen Grenzwert für eine Evakuierung bis um das Tausendfache überschreiten. „Die Behörden ignorieren diese Bedrohung, die durch einen Flugzeugabsturz oder einen Terroranschlag aus der Luft ausgelöst werden könnte“, schimpft man bei Greenpeace. Die Gefährdung der Bevölkerung rund um die sieben ältesten deutschen Atomkraftwerke werde von der Atomaufsicht seit Jahren dramatisch unterschätzt, heißt es weiter.Deswegen will Greenpeace nun vor Gericht ziehen. Das Ziel des Umwelt-Verbandes: „Den sieben ältesten Atommeilern Biblis A und B, Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1 muss die Betriebsgenehmigung sofort entzogen werden.“

Juristisch wollen jetzt auch die Kernkraft-Gegner aus dem Landkreis Landshut dem ungeliebten Stromproduzenten „an den Kragen“: „Kernkraftwerke dürfen nur betrieben werden, wenn von ihnen keine Gefahr ausgeht“, meinte dazu Stefan Haug, Co-Vorsitzender im Grünen-Bezirksverband. Deshalb begrüßen es die Grünen, dass nun von Greenpeace zusammen mit Anwohnern gegen die Betriebsgenehmigung von KKI 1 geklagt werde. Einer der Kläger, der „ehemalige Pilot“ Thomas Maxhofer, ist Mitglied im Kreisverband der Grünen im Landkreis Landshut. „Für mich ist es unverantwortlich, wie man die Bevölkerung angesichts der immensen Risiken weiter in Sicherheit wiegt“, so Maxhofer.

Würde auch ein Passagierflugzeug nur 20 Meter neben dem KKI zerschellen, wären die Schäden am Kraftwerk gering — vom Austreten von Strahlung ganz zu schweigen. Das haben Untersuchungen der Betreiber ergeben, wie KKI-Sprecher Hans Seidl gegenüber derLZgestern bestätigte.Für KKI-Sprecher Johann Seidl ist das ein Griff in die Mottenkiste von Greenpeace für den Bundestagswahlkampf. „Schon 2001 wurde dieses Thema ausführlich diskutiert und beurteilt. Wichtig ist, dass auch das KKI 1 eine extrem hohe Basissicherheit hat und im Gegensatz zu anderen sensiblen Industrieanlagen gegen Flugzeugabsturz ausgelegt ist.“ Gegenüber der LZ sagte Seidl gestern, dass man in Deutschland die sichersten Kernkraftwerke weltweit habe und er nicht verstehe, dass Greenpeace die Aufmerksamkeit in unverantwortlicher Weise auf Kernkraftwerke als Terrorobjekt lenke.

 

Anmerkung:

Der Original-Bericht war eine gemeinsame Arbeit mit einem zweiten Redakteur. Die hier online gestellte Version enthält nach bestem Wissen und Gewissen nur meine Passagen des Textes, soweit sie noch rekonstruierbar waren.
 

Sicherheit mit Differenzen
Gutachter beurteilten 2002 Kraftwerke unterschiedlich

Von Michael Betz

Hintergrund der plötzlichen politischen Betriebsamkeit rund um die Sicherheit von Kernkraftwerken gegen Terror-Flieger ist ein — zumindest zur Entstehungszeit geheimes — Gutachten vom November 2002. Darin war, offenbar angesichts der weitverbreiteten Verunsicherung nach den Anschlägen vom 11. September, im Auftrag der „Internationalen Länderkommission Kerntechnik“ die Gefährdung verschiedener Atomkraftwerke in Deutschland gegenüber gezielten Flugzeugabstürzen untersucht worden. Dabei kamen die Gutachter zu dem Schluss, dass von den 19 Kernkraftwerken in der Bundesrepublik nur drei Anlagen (darunter das Kernkraftwerk Isar 2) eine bauliche Auslegung haben, die einem gezielten Absturz eines großen Passagierflugzeugs ohne gravierende Freisetzungen radioaktiver Stoffe in die Umgebung standhalten könne. Eine bauliche Ertüchtigung der anderen Anlagen, die eine Basis-Sicherheit gegen den Flugzeug-Einschlag bieten, hielten die Gutachter 2002 dennoch nicht für sinnvoll. Daraufhin gingen Projekte wie Vernebelungsanlagen rund um die Kernkraftwerke zur Abwehr fliegender Terroristen durch die Diskussion und die Medien. Eher sprachen sich die Gutachter in dem Papier für Maßnahmen beim Flugverkehr wie Abschottung des Cockpits oder Personenkontrollen aus.

Das Bundes-Innenministerium verweist in diesem Zusammenhang auf ein „umfassendes Sicherungs- und Schutzkonzept“ für kerntechnische Anlagen, in dem die Vernebelungsanlagen nur ein Baustein seien. Die Qualität dieser Präventionsmaßnahmen hält man im Ministerium für so groß, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Anschlages sehr gering sei.

Verfasst von: LAndsichten | 25. November 2008

Mehrheit für den Neubau scheint möglich

Aus: Landshuter Zeitung vom 25. November 2008

Mehrheit für den Neubau scheint möglich
Kreistag diskutierte über Gymnasiums-Neubau — Entscheidung wohl am 22. Dezember

Von Michael Betz

Kaum eine politische Entscheidung im Landkreis Landshut warf in den vergangenen Jahren solche Wellen auf wie die Frage eines Gymnasiums-Neubaues. Am Montag wurde eine neue Runde in der politischen Debatte eingeläutet: Die Kreisräte erhielten dabei Informationen von Josef Kraus und Klaus Drauschke. Der Direktor des Gymnasiums Vilsbiburg und der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Niederbayern steckten Grundforderungen an ein attraktives Gymnasium ab. Eine endgültige Entscheidung war trotz langer Debatte nicht vorgesehen, allerdings zeichnete sich quer durch die Fraktionen ein Ja zum Neubau ab.

Es war eine Diskussion, von der in dieser Form die Öffentlichkeit nichts hätte erfahren sollen: Eigentlich standen die Gymnasiums-Informationen auf der nichtöffentlichen Tagesordnung der Kreistagssitzung. Sogar die spärlichen Informationen aus der Sitzungsunterlage waren noch eigens aus den Presse-Unterlagen entfernt worden. Kreisrat Michael Vogt hatte allerdings im Namen der Grünen beantragt, daraus eine öffentliche Debatte zu machen — 36 Kreisräte quer durch die Fraktionen waren für diesen Antrag. Vogt hatte ihn damit begründet, dass jüngst Spekulationen über ein Aus für das neue Landkreis-Gymnasiums entstanden seien, denen man die öffentliche Debatte entgegenhalten müsse.Die Gelegenheit zur Debatte nutzten die Kreisräte überaus intensiv; allein 15 Wortmeldungen standen gleich zu Beginn auf der Liste von Landrat Josef Eppeneder. Und auch wenn dabei oftmals auf allgemeine Bildungspolitik eingegangen und teils thematisch sehr weit ausgeholt wurde, blieb doch unter dem Strich eine über alle Fraktionsgrenzen vorhandene grundlegend positive Einstellung zum Neubau eines Gymnasiums im Landkreis — immerhin eine Investition oberhalb der 30-Millionen-Euro-Marke, wofür allerdings bereits weitreichende Förderzusagen vom Freistaat vorliegen.Das Hauptproblem beim Neubau bilden die Zahlen für dessen Grundlage: Ein neues Gymnasium braucht Schüler, diese lassen sich prognostizieren. Aber dazu kommen noch unwägbare Faktoren wie Übertrittsquote und Wanderungen der Schüler von einer Schulart zur anderen. Diese Problematik brachte Ministerialbeauftragter Klaus Drauschke auf den Punkt: „Die Möglichkeit, auf harte Fakten zurückzugreifen, ist begrenzt. Irgendwann ist eine politische Entscheidung nötig.“Bei dieser Entscheidung sollten den Kreisräten die Informationen helfen, die sie am Montag vom Ministerialbeauftragten und von Josef Kraus, dem Direktor des Vilsbiburger Montgelas-Gymnasiums, bekamen. Auch Kraus machte dabei zuerst deutlich, dass er die Politiker um die keineswegs leichte Entscheidung für oder gegen einen Neubau nicht beneide. Als zentralen Satz teilte er die Einschätzung mit, dass ein neues Gymnasium in der Nähe der Stadt Landshut Konkurrenzsituationen schaffen werde. Zum von Freie-Wähler-Kreisrat Hubert Aiwanger vorgebrachten Argument, dass mit Rottenburg als Standort diese Konkurrenz gemildert werden würde, meinte er übrigens, dass der Neubau dann rund 300 Schüler aus Mallersdorf abziehe.Kraus führte aus, dass die Übertrittsquote an Gymnasien im Landkreis mit 28 Prozent unter dem Bayern-Durchschnitt von 35 Prozent und unter dem Wert der Stadt Landshut von 44 Prozent liege. Für ein neues Gymnasium im Landkreis hielt Josef Kraus einen Endstand von 750 Schülern für notwendig als untere Grenze. Mit weniger Schülern könne die Schule auch weniger Optionen zur Differenzierung, zum Wahlpflichtunterricht und für Wahlfächer anbieten — und das wirke sich auf die Attraktivität aus. Anstreben sollte man eine Vierzügigkeit, also vier Parallelklassen, bis zur siebten Klasse, danach eine Dreizügigkeit. Das bedeute rund 115 Schüler pro Jahr in den fünften Klassen.Bei der Ausrichtung der Schule hielt Kraus das Angebot von zwei verschiedenen Fremdsprachen als zweite Fremdsprache, von zwei Ausbildungszweigen und der Möglichkeit von Englisch und Latein als erste Fremdsprache für sinnvoll. Schüler könne man im Raum Landshut vor allem mit dem naturwissenschaftlichen und einem neusprachlichen Zweig anlocken.Wie in diesem Zusammenhang Klaus Drauschke prognostizierte, der Kraus in seinen Schlussfolgerungen zur notwendigen Ausrichtung der Schule unterstützte, könne man mit 300 Schülern vom Leinberger-Gymnasium und 100 Schülern vom Carossa-Gymnasium rechnen. Vor allem das Landshuter Leinberger-Gymnasium sei überfüllt, wie Drauschke dazu erklärte. Er unterstrich gegenüber den Kreisräten auch, dass rein aufgrund der jetzt bereits bis 2018 berechenbaren Schülerzahlen ein neues Gymnasium nicht nötig sei. „Es gibt aber Prognosen für eine Änderung des Arbeitsmarktes“, fügte Drauschke an. Man rechne allein bis 2015 mit elf Prozent unbesetzten Stellen für Ingenieure und Wissenschaftler. Überdies hätten 50 Prozent der Realschüler die Eignung zum Gymnasium — also Potential für einen Gymnasiums-Neubau und für das Ministerium eindeutig der Grund, einen Neubau im Landkreis Landshut zu genehmigen und zu fördern.Im Landkreis gehen indes die politischen Entscheidungsprozesse weiter: Im Dezember tritt zunächst der Kreisausschuss zusammen, am 22. Dezember ist eine Sitzung des Kreistages. Und wie Landrat Josef Eppeneder betonte, soll noch im Dezember eine endgültige Entscheidung über den Neubau und dessen Standort getroffen werden.

 

 

Seligenthal öffnet sichfür Buben

Eine schulpolitische Umwälzung für die Stadt Landshut wurde am Montag auch im Rahmen der Kreistagssitzung bekannt — schließlich hatte sie mit dem beherrschenden Thema des Treffens zu tun: Wie Landrat Josef Eppeneder die Kreisräte informierte, hat ihm die Leitung des Gymnasiums Seligenthal mitgeteilt, dass sich die (bisher Mädchen vorbehaltene) Schule ab nächstem Schuljahr für Buben öffne. Bei entsprechendem Interesse würde man einen naturwissenschaftlich-technischen Zweig einrichten, dafür aber gern auf das Schulgebäude des Landkreises in der Seligenthalerstraße in Landshut zurückgreifen, wie Eppeneder berichtete. Nun lag natürlich der Schluss nahe, dass sich diese Entscheidung auf die Gymnasiums-Neubaupläne im Landkreis auswirken könnten — dies verneinte allerdings Klaus Drauschke, der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Niederbayern: Man könne keine Schüler von staatlichen Gymnasien auf eine kirchliche Schule zuweisen, betonte Drauschke. Das sei auch eine Frage des Schulgeldes. — Die Entscheidung, ob im Landkreis Landshut ein neues Gymnasium gebaut wird oder nicht, bleibt von dieser für die Stadt Landshut doch überraschenden Schul-Entscheidung also unbeeinflusst. -be-

Verfasst von: LAndsichten | 15. November 2008

Volksbund-Reise 2008 – Teil 2

Aus: Landshuter Zeitung vom 15. November 2008

 

Die kriegerische Geschichte einer Militärstadt

Sewastopol auf der Krim: Heldenstadt als Zankapfel zwischen Russland und der Ukraine

 

Von Michael Betz

Admiral Pavel Nachimov blickt in Erz von einer Anhöhe über dem Hafen auf das Zentrum von Sewastopol: Hinter ihm liegen die Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte, vor ihm breitet sich das Areal eines sowjetischen Denkmals für die Toten des 2. Weltkrieges aus — Geschichte wie im Brennglas. Nachimov verteidigte den Kriegshafen vor 150 Jahren im Krimkrieg, im Zweiten Weltkrieg trotze die „Heldenstadt“ monatelang den Deutschen, heute streiten die Ukraine und Russland um den Flottenstützpunkt.

Politisch gehört Sewastopol wie die ganze Krim zur souveränen Ukraine. Dabei ist es sozusagen ein Zufall der Sowjetgeschichte, wie die Halbinsel im Schwarzen Meer diese politische Zuordnung erhielt: Der damalige Parteichef Nikita Chruschtschow übergab 1954 die Verwaltung der gesamten Krim von der russischen an die ukrainische Sowjetrepublik — angeblich, weil er selbst Ukrainer war.Das werden ihm einige Russen vermutlich heute noch übel nehmen, sieht doch das moderne Russland den Hafen als seinen Besitz an — ganz in der Tradition der alten zaristischen Politik: 1783 eroberten russische Truppen die gesamte Krim, die vormals herrschenden muslimischen Tataren verloren ihren Einfluss. Der legendäre Fürst Potemkin war es, der für Katharina die Große die Krim dem Reich einverleibte.Daraufhin wurde die Halbinsel auch Bollwerk militärischer Stärke durch die Rolle als Flottenbasis. Im Krimkrieg, bei dem Russland 1853 bis 1855 gegen eine französisch-britische Allianz stand, konnte sich die stark ausgebaute Festung zwölf Monate unter Admiral Pavel Nachimov gegen eine Belagerung wehren, die als erster moderner Stellungskrieg gilt. — Eine der Wurzeln der heutigen emotionalen Bedeutung, die Sewastopol für Russland besitzt.Denn obwohl sowohl die Krim als auch Sewastopol heute Teil der selbständigen Ukraine sind, hat in der Hafenstadt vor allem Russland das Sagen. Ein Vertrag erlaubt die Anwesenheit der russischen Schwarzmeerflotte dort bis 2017, nachdem die einstige sowjetische Flotte zwischen der Ukraine (20 Prozent) und Russland (80 Prozent) aufgeteilt wurde. In den Buchten von Sewastopol liegen deshalb stets zahlreiche Kriegsschiffe vor Anker, russische Denkmäler und Behörden bestimmen das Stadtbild — und die Bevölkerung fühlt entsprechend, schließlich sind heute 71 Prozent der Einwohner Sewastopols russischer Herkunft, 21 Prozent sind Ukrainer.Fachleute vermuten deshalb auf der Krim nicht ohne Grund den nächsten politischen Krisenherd dieser Region neben dem 700 Kilometer weiter östlich gelegenen Georgien: Um die Halbinsel könnte Streit zwischen der Ukraine und Russland entbrennen; die russlandfreundliche Stimmung der Bürger Sewastopols ließ sich auch bei einer Informationsfahrt immer wieder spüren, die der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Herbst für bayerische Journalisten organisiert hatte.Auch wenn die Krim mit ihrer teilweise subtropischen Vegetation und den Urlaubsorten am Schwarzen Meer heute wieder ein beliebtes Urlaubsziel ist — Krieg ist in der jüngeren Geschichte dieses Landes kein Fremdwort. Zuletzt traf der Zweite Weltkrieg die Halbinsel hart. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erreichte die Wehrmacht Anfang September die Zugänge zur Halbinsel Krim bei Perekop. In den folgenden Wochen gelang es den Deutschen, die Krim fast ganz zu erobern — bis auf Sewastopol, die damals stärkste Festung der Welt. Trotz russischer Gegenangriffe zur Jahreswende 1941/1942, die zum Verlust der Halbinsel Kertsch am östlichen Ende der Krim führten, hielten die Deutschen Sewastopol weiter eingeschlossen. Erst im Frühsommer 1942 gelang den Deutschen die komplette Rückeroberung der Halbinseln Krim und Kertsch — und der Vorstoß darüber hinaus nach Osten in den Kaukasus.Die Wehrmacht nahm dabei auch Sewastopol ein: Riesige Kanonen wie das Eisenbahngeschütz „Dora“ mit einem Kaliber von 80 Zentimetern feuerten auf die Festungen von Sewastopol, das sich schließlich am 3. Juli 1942 ergeben musste. Dennoch lebt der Kampf der eingeschlossenen Verteidiger fort: Überall erinnern Denkmäler und Museen in Sewastopol daran, das seit 1945 als Ehrung den Titel „Heldenstadt“ tragen darf. Die deutschen Gefallenen der Krim haben einen Friedhof wenige Kilometer von Sewastopol entfernt (siehe eigenen Bericht).Das militärische Gepräge und die Darstellung von Stärke auf eine typisch russische Art bilden einen bemerkenswerten Kontrast zur südlichen Landschaft der Krim. Aus dem Gestern mit seinen aus russischer Sicht glorreichen Elementen schöpft Sewastopol die Kraft das manchmal trostlose Heute zu übersehen — die Ukraine hat wirtschaftlich einen schweren Stand, daran kann auch der Tourismus auf der Krim nichts ändern. Nur über dem Morgen schwebt noch ein großes Fragezeichen. Dieser Konflikt wird erst noch gelöst werden müssen auf der Krim, in Sewastopol.

 

Ein Platz für Erinnerung und Trauer

Kriegsgräberfürsorge unterhält auch auf der Krim einen Soldatenfriedhof

 

Ein paar Schwarzweißbilder und der Brief eines militärischen Vorgesetzten. Mehr bleibt heute oft nicht mehr von toten Soldaten des Zweiten Weltkrieges, außer den Erinnerungen der Angehörigen und Freunde. Diesen Erinnerungen gibt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge durch seine Arbeit einen konkreten Platz, speziell in Osteuropa wurden nach der Wende zahlreiche neue Friedhöfe und Gräber angelegt und damit auch Schicksale geklärt.

In der Familie meiner Eltern und meiner Verwandten mütterlicherseits wußte man stets nur, dass mein Großonkel Johannes Scholz am 15. Januar bei den Kämpfen um Feodosia auf der Halbinsel Krim gefallen ist. Nach deutschen Erfolgen hatten die Sowjets in diesen Wochen den östlichenTeil der Krim zurückerobert. Von einer Beerdigung „nach dem siegreichen Ausgang der Schlacht auf dem Heldenfriedhof zwischen Feodosia und Stary Krim“ war im Brief an die Angehörigen die Rede, die damals schlesischen Schweidnitz lebten.Der Brief des Kompanieführers und das Bild eines Holzkreuzes blieben so auf lange Zeit die letzte Erinnerung. Durch den Eisernen Vorhang war ein vielleicht noch existierendes Grab vollkommen unerreichbar, überdies hatte die Sowjetunion verständlicherweise kein Interesse am Erhalt alter Soldatenfriedhöfe der Wehrmacht. So blieben von Johannes Scholz stets nur die paar Geschichten und Erinnerungsstücke aus der Verwandtschaft.In der Kino-Wochenschau soll er als Soldat noch einmal vor seinem Tod zu sehen gewesen sein. Auf einem Lastwagen in einer Kampfpause auf der Krim — die Wochenschau ließ sich finden, aber ob das unscharfe Bild wirklich Johannes Scholz zeigt, da ist sich 60 Jahre nach seinem Tod niemand ganz sicher. Es wäre das letzte Foto von ihm, von seinem Grab wußte man nichts als die theoretische Lage auf einem höchstwahrscheinlich längst verschwundenen Friedhof.Ein Schicksal von hunderttausenden. Die Zahl der deutschen Kriegstoten auf dem Gebiet der heutigen Ukraine wird auf 400000 geschätzt — in einem Land, das etwa eineinhalb mal so groß ist wie Deutschland. Seit 1996 regelt ein Kriegsgräberabkommen mit der Ukraine die Suche nach den deutschen Kriegstoten und die Einrichtung von fünf großen Sammelfriedhöfen durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.Die Toten der südlichen Ukraine und der Krim werden auf den Friedhof Sewastopol-Gontscharnoje umgebettet, der Raum für 40000 Gefallene bietet. Ein Eichenwald säumt den Friedhof inmitten einer mediterran-hügeligen Landschaft der südlichen Krim. Die Namen der identifizierten Toten sind auf Granitstelen eingemeißelt, eine zentrale Kreuzgruppe gibt dem Friedhof eine sichtbare Mitte.Knapp 21000 deutsche Gefallene ruhen bislang in Gontscharnoje — auch Johannes Scholz hat durch die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge hier eine würdige letzte Ruhestätte gefunden: Die Toten des ehemaligen Wehrmachts-Friedhofes bei Feodosia wurden nach Gontscharnoje umgebettet, dort ruht er im Block 6 unter den Unbekannten. Vielleicht fehlte seine Erkennungsmarke, vielleicht ließ sie sich nicht mehr entziffern — aber Gedenken und Erinnerung haben unabhängig davon jetzt einen greifbaren Ort.

 

Die Krimtataren und ihr Palast

Im frühen 15. Jahrhundert gründete sich auf der Krim das Khanat der Tataren, ein muslimisches Herrschaftsgebiet, mit der Hauptstadt Bachtschisaraj in der Nähe von Simferopol. Dort erinnert noch heute ein prächtiger orientalischer Palast (Bild: einer der Räume des Palastes) an die historische Episode. 1783 kam die Krim unter russische Herrschaft, 1790 wurde schließlich das Khanat abgeschafft. Die Tataren wurden 1944 auf Befehl Stalins wegen angeblicher Kollaboration mit den Deutschen nach Mittelasien deportiert, kehren aber seit einigen Jahren wieder zurück — was nun allerdings wiederum zu politischen aber auch religiösen Spannungen mit der russischen und ukrainischen Bevölkerung der Krim führt.

 

Bildunterschriften:

Egal, ob ein Denkmal für die sowjetische Flotte im Zweiten Weltkrieg (links) oder das Standbild von Admiral Nachimov aus dem Krimkrieg: Die Hafenstadt Sewastopl lebt nicht nur von den Repräsentationsbauten der Flotte am Hafen (Mitte), sondern auch von der Erinnerung an ihre wechselvolle Geschichte.

 

Sewastopol-Gontscharnoje ist der Sammelfriedhof für die deutschen Gefallenen der Krim und der südlichen Ukraine. Das Zentrum des Friedhofes bildet ein Hochkreuz (links), über das Areal verteilt sind die Stelen mit den Namen der Toten.

Verfasst von: LAndsichten | 15. November 2008

Unternehmer-Zukunftsvision für Atom-Strom

Aus: Landshuter Zeitung vom 15. November 2008

Unternehmer-Zukunftsvision für Atom-Strom
EON-Kraftwerksgespräch mit Politikern aus der Region — Weitere Investitionen geplant

von Michael Betz

Verregnete Winter, Sommer voller Unwetter, ein austrocknendes Südeuropa — der Klimawandel ist ein täglich spürbares Faktum. Und eng mit dem Wetter hängt in diesem Fall der Strom zusammen: Die Energieproduktion kann bei Kohle und Gas als Grundstoff Unmengen des klimaschädlichen Kohlendioxid freisetzen — die Betreiber von Kernkraftwerken verweisen auf die Klimafreundlichkeit ihrer Technologie. So auch am Donnerstag abend beim EON-Kraftwerksgespräch: Vertreter aus dem Konzern und dem Kraftwerk prognostizierten der Kernkraft durchaus eine Zukunft, allerdings mehr im europäischen Rahmen als in Deutschland.

Kommunalpolitiker aus der Region und weitere Repräsentanten des öffentlichen Lebens werden im Rahmen der Kraftwerksgespräche in regelmäßigen Abständen in die Kernkraftwerke Isar eingeladen. Bei EON sieht man das als Teil einer guten und vertrauensvollen Nachbarschaft, die durch die Informationen aus dem Konzern und die Fachvorträge an diesen Abenden gestärkt werden soll.Für den Konzern sprach am Donnerstag Dr. Ralf Güldner, Mitglied der Geschäftsführung der EON Kernkraft GmbH. „Internationale Entwicklung der Kernenergie“ waren seine Ausführungen betitelt und Güldner zeigte darin anhand von Zahlen und Prognosen auf, dass man in mehreren Ländern der Welt durchaus Chancen in der friedlichen Nutzung der Atomenergie sieht: So plane Kanada beispielsweise zehn neue Kraftwerke, Brasilien neun, die USA 29 und Japan elf. Sogar in Italien, wo es derzeit kein Kernkraftwerk gebe, liefen aktuelle politische Diskussionen in Richtung Atomstrom.Wie abhängig auch Deutschland von den Preisen fossiler Rohstoffe ist, zeigen die jüngsten Preisentwicklungen bei Öl und Gas; dem hielt Dr. Güldner entgegen, dass beim Betrieb eines Kernkraftwerkes der Ankauf des Natur-Urans als Brennstoff nur etwa drei bis fünf Prozent der Energiekosten ausmache — bei Kohle mache der Brennstoff etwa ein Drittel der Energiekosten aus, bei Gas rund zwei Drittel. „Überdies kommt Uran aus politisch stabilen Förderländern und es gibt keine anderweitigen Nutzungen dafür“, unterstrich Güldner weiter — ganz im Gegensatz zum Öl, mit dem man weit Besseres anstellen könne als es zu verbrennen. Dazu komme die Klimawirkung der Kernkraftwerke — also gewissermaßen ein Öko-Argument für die Kernenergie, auch wenn die Gegner das natürlich so nicht gern gelten lassen wollen: „2500 Millionen Tonnen Kohlendioxid werden weltweit pro Jahr durch den Einsatz der Kernenergie eingespart. In Deutschland sind es 150 Millionen Tonnen“, rechnete Ralf Güldner vor. EON habe sich dabei als Konzern das Ziel gesetzt, den Kohlendioxid-Ausstoß bei seiner Stromproduktion zu verringern. Vor dem Hintergrund eines laut Prognosen bis 2030 um 94 Prozent steigenden Strombedarfs bedeute das einen steigenden Anteil von Kernenergie. Angesichts der politischen Schwierigkeiten in Deutschland mache man sich bei EON allerdings in diesem Zusammenhang Gedanken über Kernkraftwerks-Neubauten in Großbritannien und Finnland, schloss Dr. Güldner seine Ausführungen.Dass man bei EON als Betreiber der beiden Kraftwerksblocks der Kernkraftwerke Isar dennoch und trotz politisch begründeter Laufzeitbeschränkungen auf eine Zukunft beider Anlagen setzt, machte anschließend Siegfried Seifert klar, der technische KKI-Leiter. „Nächstes Jahr wird die Erweiterung der Zellenkühlanlage für Block 1 fertig, das ist ein Projekt mit 20 Millionen Euro“, betonte Seifert. Auch die Planungen für neue Notstromdiesel inklusive neuer Gebäude zeigten, dass man in die Zukunft plane, weil man hoffe, dass Block 1 diese Zukunft habe. Technisch gesehen sei eine Laufzeit von Block 1 über das (politisch festgelegte) Aus 2011 kein Problem, in den USA rechne man derzeit mit 60 Jahren Laufzeit für ein Atomkraftwerk, hatten die Fachleute von EON betont. Doch in Deutschland rechnet die Politik anders — egal, ob Rot-Grün oder jetzt Schwarz-Rot.Siegfried Seifert hatte in seinen Ausführungen auch noch die hohe zeitliche Verfügbarkeit von 100 Prozent bei Block 1 und 92 Prozent bei Block 2 der Kernkraftwerke Isar betont, also Stromproduktion mit hoher Kontinuität. Kaufmännischer Leiter Christian Reilein unterstrich die Rolle von EON als Arbeitgeber in der Region: 659 Mitarbeiter haben die Kernkraftwerke laut seinen Ausführungen derzeit, das seien 23 mehr im Vorjahr. Auch bei den 36 Lehrlingen seien es vier mehr als vor zwei Jahren. „Und ein Großteil der Ausgelernten wird übernommen — unbefristet“, stellte Reilein die Personalpolitik des Unternehmens heraus, das überdies für die Region in vielen Bereichen durch Sponsoring von Vereinen, Kultur und sozialen Einrichtungen wirke — aber das mußte er den Gästen im Saal eigentlich nicht eigens erzählen: Als Nachbarn wissen sie dieses Wirken von EON sicher größtenteils schon lange zu schätzen.

 

Bildunterschriften:

POLITIKER UND REPRÄSENTANTEN DER GESELLSCHAFT aus der Region Landshut trafen sich am Donnerstag im Casino der Kernkraftwerke Isar zum „Kraftwerksgespräch“ und erhielten dabei Informationen über die Arbeit der Kraftwerke und zum allgemeinen Stand der Atomindustrie.

Die Referenten beim EON-Kraftwerksgespräch, von links: Kaufmännischer Leiter Christian Reilein, Technischer Leiter Siegfried Seifert, der ehemalige EON-Kernkraft-Geschäftsführer Erich Steiner, Dr. Ralf Güldner, Mitglied der Geschäftsführung von EON-Kernkraft sowie Dr. Klaus-Jürgen Brammer von der Gesellschaft für Nuklear-Service. (Fotos: be)

 

 

Eine politische Vollbremsung
Wissenschaftliche Endlager-Argumente beim EON-Kraftwerksgespräch
Von Michael Betz

Auch wenn beim sicheren Betrieb eines Kernkraftwerkes die Bevölkerung keinen Gefahren ausgesetzt wird, wie die Betreiber stets betonen, blieb in Deutschland doch eine Frage bisher offen: Wohin mit dem hochradioaktiven Abfall? Dass die Antwort auf diese Frage wissenschaftlich offenbar geklärt, aber politisch verhindert wird, machte beim EON-Kraftwerksgespräch am Donnerstag Dr. Klaus-Jürgen Brammer von der Gesellschaft für Nuklear-Service deutlich.

Vor einer Woche waren es die üblichen Bilder: Menschen auf Bahnschienen, Polizei-Hundertschaften und blockierte Castor-Behälter auf dem Weg nach Gorleben. Welchen Hintergrund dieser mittlerweile regelrecht reflexartige Kampf zwischen Atom-Gegnern und dem Staat hat, erklärte der Geologe und Mineraloge den Gäste im EON-Casino am Donnerstag: In Gorleben sollen die Möglichkeiten eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle in einem Salzstock geklärt werden.Allerdings passiere momentan in dieser Richtung gar nichts, nachdem die damalige rot-grüne Bundesregierung 2000 eine bis zu zehn Jahre lange Pause „zur Klärung von Zweifelsfragen“ beschlossen habe. Eine politische Endlager-Vollbremsung, sozusagen. Diese Zweifelsfragen seien seit 2005 abgearbeitet, es gebe keine Argumente gegen Salz als Lagergestein, auch keine eindeutigen Vorteile für andere Gesteinsarten. „Dennoch passiert weiter nichts.“ Das jetzt angeregte neue Standortauswahlverfahren würde nach Ansicht des Experten die Inbetriebnahme eines Endlagers bis 2050 verzögern; stattdessen plädierte er für die Erstellung einer standortbezogenen Sicherheitsanalyse in Gorleben.Dass die Endlager-Frage in Deutschland weniger ein wissenschaftliches als ein politisches Problem ist, machte Brammer an einem Beispiel deutlich: So seien die Unterlagen für die Auswahl von Gorleben als Lagerstätte standardmäßig ab 1977 25 Jahre unter Verschluss gewesen. Der damalige niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel habe diese Sperrfrist um 25 Jahre verlängert — und erkläre nun als Umweltminister, dass man wegen nicht ausreichenden Unterlagen neu in die Standortauswahl einsteigen müsse, ohne dass man diese Argumentation öffentlich prüfen könne.In seinem trotz der wissenschaftlichen Thematik spannenden Vortrag erklärte der Wissenschaftler, dass ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle mit dem Schacht Konrad ab 2013 zur Verfügung stehe. Dabei betonte er, dass in Deutschland die Abfallverursacher, also auch Kraftwerksbetreiber, die Endlager-Kosten bezahlen müssten.Zum Endlager im Salzstock Asse merkte Dr. Klaus-Jürgen Brammer angesichts der jüngsten Meldungen über Wassereintritte dort an, dass ein Vergleich mit Gorleben nicht möglich sei. „Schließlich ist das eine ein aufgelassenes und intensiv bearbeitetes Bergwerk, das andere wäre nur zur Endlagerung da.“ Bei der Regelung der Probleme in Asse gelte es, Augenmaß zu bewahren und nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.

Verfasst von: LAndsichten | 11. November 2008

Weitere Gespräche vor Standort-Entscheidung

Aus: Landshuter Zeitung vom 11. November 2008

Weitere Gespräche vor Standort-Entscheidung
Kreisausschuss ließ sich über Pläne zum Gymnasiums-Neubau informieren

Von Michael Betz

Das Kultusministerium hält ein neues Gymnasium im Landkreis Landshut für notwendig. Der Finanzminister verspricht einen Zuschuss für den Neubau. Nur der Standort ist noch nicht gefunden: Zwar sind mehrere Gemeinden im Rennen um die neue Schule, aber eine Entscheidung wurde in dieser Richtung am Montag auf der Sitzung des Kreisausschusses im Landratsamt nicht getroffen. Stattdessen kündigte der Landrat Josef Eppeneder weitere Gespräche mit den politischen Entscheidungsträgern im Landkreis an.

Es war im Grunde genommen eine Vorstellung der Neubauplan-Rahmenbedingungen, die Landrat Josef Eppeneder den Mitgliedern des Kreisausschusses am Montag vorstellte. Eine Abfolge von brieflich formulierten Wünschen aus dem Kultusministerium, von politischen Gesprächen im Landkreis und vom Wettbewerb mehrerer Landkreis-Gemeinden um den Standort der Schule — die schließlich Prestige bringt und einen Schub in der jeweiligen Ortsentwicklung.Dass aber solche Begründungen keine Rolle spielen bei der Entscheidung für oder gegen einen Standort, machte der Landrat unmissverständlich klar: „Es geht um die Qualität des Gymnasiums und um die Kinder. Nicht um einen Standort allein.“ Dennoch werde die Entscheidung nicht leicht sein, man solle aber bitteschön das Sachliche in den Vordergrund stellen, bat der Landrat und kündigte als weiteres Vorgehen zunächst eine Fraktionsführerbesprechung am morgigen Mittwoch an. Weiter regte er einen Grundsatzbeschluß des Kreisausschusses über den konkreten Wunsch nach einem Neubau an, danach sollten die Standorte ausgefiltert werden nach Norden, Mitte und Süden des Landkreises und damit zunächst eine grobe örtliche Festlegung des Neubaues getroffen werden.Als weiteren Schritt hielt Eppeneder eine Debatte über die Standort-bewerbungen im Kreisausschuss mit einer Empfehlung an den Kreistag für sinnvoll. In diesem Zusammenhang sollten auch auch die Angebote der dann noch in Frage kommenden Gemeinden genau geprüft und festgeschrieben werden. „Ich will nämlich nicht, dass eine Gemeinde dem Landkreis Versprechungen macht, die dann nicht gehalten werden können“, begründete Landrat Eppeneder diese Prüfung. Den Start des neuen Gymnasiums prognostizierte Josef Eppeneder für das Schuljahr 2011/2012.Vorangegangen war eine Schilderung des bisherigen Verlaufs der Neubau-Überlegungen und der zugrundeliegenden Entscheidungen und Wünsche aus München. Als zentraler Punkt erwies sich dabei die Vorstellung des Kultusministeriums, mit dem Neubau im Landkreis vor allem das städtische Hans-Leinberger-Gymnasium zu entlasten. Deshalb kam aus München auch schriftlich der Wunsch nach einem stadtnahen Neubau. Außerdem legt man im Kultusministerium, wie aus den Worten von Landrat Eppeneder hervorging, Wert auf den Bestandsschutz der vorhandenen Gymnasien: Sie sollen durch den Neubau im Landkreis nicht gefährdet werden, was natürlich eine Rolle bei der Standortwahl spielen wird.In diesem Zusammenhang erklärte Landrat Josef Eppeneder, dass sich der CSU-Landtagsabgeordnete Josef Zellmeier aus dem Landkreis Straubing-Bogen in einem Brief mit dem Hinweis an ihn gewandt habe, dass 40 Prozent der Schüler des Mallersdorfer Burkhart-Gymnasiums aus dem nordöstlichen Landkreis Landshut kämen — wie auch das Ministerium später dazu mitgeteilt habe, würde sich ein Neubau-Standort in diesem Teil natürlich entsprechend auf diese Zahlen auswirken.Eine generelle Debatte über den kommenden Schulstandort war am Montag nicht eingeplant — worüber sich Kreisrat Hans Weinzierl (Freie Wähler) in einer Wortmeldung nicht begeistert zeigte: „Es wird im Hintergrund von politischer Seite versucht, die Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu bringen. Aber irgendwann werden wir um eine Diskussion nicht herumkommen.“ SPD-Kreisrätin Ruth Müller rief dazu auf, die Vorstellungen des Ministeriums nicht einfach abzunicken, schließlich spiele bei der Standortfrage auch die Stärkung des ländlichen Raums eine Rolle. — In den nächsten Wochen dürfte jedenfalls für einige der Bewerbergemeinden die Stunde der Wahrheit schlagen, ob mit oder ohne vorherige öffentliche Standort-Debatte.

 

 

Zuschüsse und Gleichstellung
Kreisausschuss erledigte eine breite Tagesordnung
Von Michael Betz

Nicht nur der Neubau eines Gymnasiums im Landkreis Landshut spielte eine Rolle auf der Sitzungs-Tagesordnung des Kreisausschusses am Montag im Landratsamt; auch einige andere Themen wurden von den Politikern bearbeitet. Größere Debatten gab es dabei nicht.

Einziges Thema mit einer kleineren Diskussion war das Projekt „Gebundener Ganztagszug“ am Sonderpädagogischen Förderzentrum Ergolding. Diese Einrichtung wird vom Kultusministerium als Projekt mit dem laufenden Schuljahr eingeführt. Unter anderem geht es dabei um einen Ganztagsunterricht an mindestens vier Wochentagen, es wechseln sich Unterrichtsstunden mit Übungs- und Studierzeiten sowie sportlichen und musischen Aktivitäten ab. Finanziert wird das Projekt vom Freistaat — was Grünen-Kreisrätin Rosi Steinberger nicht genug war. Sie hielt es für „unverständlich“, dass der Landkreis hier kein Geld beisteure. Diese Meinung hielten wiederum andere Kreisräte und Landrat Josef Eppeneder für unverständlich: Wenn der Freistaat das Projekt ins Leben rufe, sei es nur folgerichtig, wenn er es auch finanziere. Und wenn aus dem Projekt eine allgemeine Einrichtung werde, kämen auf den Landkreis als Sachaufwandsträger der Schulen ohnehin noch einige Kosten zu. Letztlich wurde vom Projekt Kenntnis genommen. Eine finanzielle Beteiligung des Landkreises gibt es nicht.Befürwortet wurden Zuschüsse an die Feuerwehren Ergolding und Geisenhausen von jeweils 36000 Euro für zwei neue Hilfeleistungsfahrzeuge vom Typ HLF 20/16. Das Caritas-Frauenhaus Landshut bekommt vom Landkreis Landshut einen Zuschuß von 39312,66 Euro.Kenntnis genommen wurde von den Mitglieder des Kreisausschusses vom Bericht über das Gleichstellungskonzept des Landkreises Landshut, der turnusmäßig nach fünf Jahren wieder erstellt worden war und vom Beteiligungsbericht. Diskussionen gab es dabei jeweils keine.

 

 

Bildunterschrift:

Die Vorarbeiten laufen: Nach dem Gymnasium in Vilsbiburg (Bild) und dem Maristengymnasium in Furth könnte es in einigen Jahren auch noch ein drittes Gymnasium im Landkreis Landshut geben. Nur die Standort-Frage ist noch nicht abschließend geklärt. (Foto: be)

Verfasst von: LAndsichten | 10. September 2008

Volksbund-Reise 2008 – Teil 1

Aus: Landshuter Zeitung vom 10. September 2008

Das Vermächtnis der Toten heißt Versöhnung
Deutscher Soldatenfriedhof Apscheronsk im Kaukasus eingeweiht
Von Michael Betz

Ein Herz aus blauen Blumen und ein Foto haben die beiden Frauen aus München an den Sockel der Granitsäule gelegt. Ein Foto ist dabei, es zeigt einen deutschen Soldaten, die Blumen liegen an einem Grab: Tausende Kilometer von seiner Heimat entfernt hat Alfred Haas auf dem deutschen Soldatenfriedhof Apscheronsk seine letzte Ruhe gefunden, seine Töchter haben einen Ort für ihre Trauer. Am Samstag wurde der Friedhof im nordöstlichen Kaukasus eingeweiht. Dazu waren rund 200 Politiker, Vertreter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Militärs, Veteranen und Angehörige an diesen Ort des Gedenkens gekommen — und machten ihn so zum Ort der Versöhnung.

Eine Reise in den Kaukasus — damit verbindet man im Moment keineswegs Gedanken an Frieden: Einige hundert Kilometer südöstlich von Apscheronsk wird auch heute wieder Krieg geführt, fallen Bomben, sterben Soldaten und Zivilisten. In Südossetien und Georgien ist Krieg wieder Mittel der Politik.Das beste Argument für eine friedliche Weltordnung waren bei der Einweihungsfeier die Tränen von Angehörigen der Toten, die auf diesem Friedhof liegen: Viele Soldaten aus Bayern und Baden-Württemberg sind unter ihnen, die damals in den Bergen des Kaukasus gefallen sind und erst jetzt, über 65 Jahre nach den Kämpfen, ihre Ruhe auf dem deutschen Soldatenfriedhof gefunden haben. In einer Landschaft, die mit ihren Wäldern und sanften Hügeln einem Mittelgebirge wie dem Bayerischen Wald so sehr ähnelt.So bekannte bei der Einweihungsfeier auch Reinhard Führer, der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, dass es die Unberührtheit dieser Landschaft schwer mache, sich nur ansatzweise verständlich zu machen, wie hier 1942 und 1943 teilweise Mann gegen Mann gekämpft worden sei. „Die Zeitzeugen dieses Krieges werden weniger, doch aus ihrer Erfahrung kann man lernen, dass es Kräfte gibt, die Krieg und Hass überwinden“, betonte der Präsident mit Blick auf die deutschen und russischen Veteranen. Sie zeigten, dass sie heute keine Feinde mehr sind trotz Krieg und jahrzehntelanger ideologischer Konfrontation.Bislang ist der Friedhof ausschließlich mit deutschen Gefallenen belegt. Russische Tote, die bei Suchgrabungen im Kaukasus gefunden wurden, bestattete man beim nahen russischen Kriegerdenkmal in Apscheronsk — mit einem überraschenden Vorschlag des Volksbundes könnte sich das ändern: Volksbund-Präsident Reinhard Führer machte das Angebot, auf einem Areal des deutschen Friedhofes russische Gefallene zu bestatten und später neben dem deutschen auch einen russischen Friedhof anzulegen. „Das wäre ein Symbol der Versöhnung. Der Krieg war ihr Schicksal, die Mahnung zum Frieden ist das Vermächtnis der Toten“, schloss der Präsident seine Rede.Von russischer Seite versprach Generalmajor Alexander Kirilin, Verwaltungsleiter im Verteidigungsministerium, den „tiefsymbolischen Vorschlag“ an sein Ministerium weiterzuleiten. Gemeinsam mit dem deutschen Bundeswehr-Generalinspekteur General Wolfgang Schneiderhahn war Kirilin der ranghöchste Militär beim Einweihungsfestakt. Und Generalmajor Kirilin zeigte sich als Verfechter der Versöhnung: Kriege, so meinte er, würden von Politikern begonnen, nicht von Soldaten. Sie seien nur die Geiseln des Krieges.Die Versöhnung über den Gräbern, wie sie dabei anklang, ist seit jeher das Motto des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Veteranen zeigten bei der Einweihung ihre Versöhnung, indem sie gemeinsam Blumen und Kränze an den Denkmälern des einstigen Gegners niederlegten. Und die Jugend hilft mit bei diesem Versöhnungswerk: So waren in den Tagen vor der Einweihung deutsche und russische Jugendliche im Rahmen eines gemeinsamen Volksbund-Lagers mit letzten Arbeiten auf dem deutschen Friedhof beschäftigt. Sneshana und Julia aus der Nähe von Apscheronsk, 18 und 17 Jahre alt, haben gemeinsam mit deutschen Jugendlichen und einer THW-Gruppe aus Bayern und Baden-Württemberg auf dem Friedhof gearbeitet. Ihr Lehrer hat sie auf die Aktion aufmerksam gemacht, erzählen sie. Die Arbeit, für die die beiden angehenden medizinischen Assistentinnen von ihrer Schule freigestellt wurden, sehen sie als Dienst an der Völkerverständigung.Unter den Kreuzen, die Julia, Sneshana und ihre deutschen Freunde gesäubert haben, auf der Erde des Soldatenfriedhofes in Apscheronsk, lagen nach der Einweihungsfeier rote Nelken. Viele Bilder wurden an die Stelen mit den langen Namensreihen gesteckt als letzter Gruß an tote Verwandte. Durch die Bemühungen des Volksbundes hat die Trauer über das gewaltsame Ende vieler Leben einen Ort bekommen im Kaukasus, wo am Samstag auch die beiden Töchter von Alfred Haas aus München noch einmal das Blumenherz mit dem Bild ihres Vaters ansahen, den ein verbrecherischer Krieg ihnen genommen hat — und wo sich jetzt die einstigen Gegner versöhnen.

Die Toten unter der Dorfstraße
Schwierige Arbeit der Umbetter der Kriegsgräberfürsorge

Saratovskaja hat wohl selten in seiner Geschichte so viele Besucher erlebt: Zwei Reisebusse voll Deutscher parken am Ortsrand, die Gruppe ist unterwegs zu einem Straßenstück, das wie eine Baustelle abgesperrt ist. Erdhügel sind aufgeworfen, daneben Gruben — darin liegen Tote. Hier, zwischen Krasnodar im Kuban-Gebiet und Apscheronsk im nördlichen Kaukasus, holt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Gefallene aus dem russischen Boden, um sie auf einem Sammelfriedhof neu zu bestatten.

Matthias Gurski ist Gruppenleiter beim Umbettungsdienst des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und zuständig für die Arbeiten in Saratovskaja. In der Schule des kleinen Straßendorfes lag während des Zweiten Weltkrieges ein Lazarett der Wehrmacht, am Ortsrand bestatteten die Deutschen im Zeitraum von September 1942 bis Januar 1943 diejenigen Soldaten, denen die Ärzte dort nicht mehr helfen konnten. „Wir gehen von 200 Toten in diesem Friedhof aus“, erzählt Gurski der Besuchergruppe aus Deutschland über die Kenntnisse der Umbetter vor Ort. Das Wissen über die Zahlen stammt aus den Unterlagen der Wehrmacht, diese habe teilweise recht genau aufgezeichnet, wo Friedhöfe lagen und wer in welchem Grab bestattet wurde.Was mag ein Soldat gelitten haben, dem Chirurgen in einem Lazarett einen Unterschenkel amputierten oder eine Beinschiene anlegten? Es sind diese Fragen, die man sich stellt angesichts der freigelegten Knochen aus den Gräbern von Saratovskaja, wo man sogar die verrosteten Reste der Schiene noch erkennen kann bei einem der Skelette.Die meisten dieser Toten unter der Dorfstraße von Saratovskaja werden ihre Namen wiederbekommen. Matthias Gurski geht von einer Identifizierungsquote von 80 Prozent aus. Zum einen habe man mehrere Erkennungsmarken gefunden, zum anderen könne man Tote auch über den Grablageplan, über anatomische Merkmale oder die jeweiligen Verwundungen identifizieren.Läßt sich ein Toter nicht identifizieren, wird er als Unbekannter auf einem deutschen Friedhof bestattet — in diesem Fall wird es Apscheronsk sein. Gelingt die Identifizierung, erhalten einerseits die Angehörigen Nachricht über das Schicksal des Soldaten, andererseits wird der Tote mit seinem Namen auf einer der Stelen des Friedhofes erscheinen. Doch oft sind die Umbetter des Volksbundes nicht die Ersten, die in der Erde nach den Toten suchen: Raubgräber machen ihnen die Arbeit schwer, den gefallenen Soldaten ihre Namen wiederzugeben. „Es gibt einen Markt für alle Arten von militärischen Gegenständen, auch Goldzähne der Gefallenen sind wertvoll“, gibt Matthias Gurski erschreckende Erfahrungen wieder. Teilweise kursierten bei den Russen abenteuerliche Gerüchte, etwa, dass der Wert einer deutschen Erkennungsmarke dem eines Autos entspreche. „Die Leute auf den Dörfern sind oft arm, da ist die Versuchung natürlich groß“, weiß Gurski. In Saratovskaja sind die Umbettungen weit fortgeschritten: 95 Tote sind bereits exhumiert, für einen Teil der übrigen Gräber, die unter Privatgrund liegen, hat man die Erlaubnis zur Umbettung. So wird im Dorf in einigen Wochen nichts mehr an die Gräber der Deutschen erinnern.

Der Soldatenfriedhof in Apscheronsk

Der Friedhof Apscheronsk liegt zwölf Kilometer vom gleichnamigen Ort entfernt in den bewaldeten und hügeligen Ausläufern des nordwestlichen Kaukasus. Anfang Juni 2005 hatte der Volksbund die Genehmigung für den Bau erhalten, am 30. August 2005 wurden die ersten 1000 Toten auf dem gut drei Hektar großen Areal eingebettet. Derzeit ruhen etwa 6700 deutsche Gefallene auf dem Gelände, etwa 40000 Tote haben auf dem Friedhof Platz, der als einziger deutscher Sammelfriedhof der Region zwischen Kaukasus und Kuban vorgesehen ist. Der Friedhof ist an drei Seiten mit Eichenmischwald eingefaßt und zieht sich an einem Hang entlang. Die Namen von 3731 Toten sind bereits auf Granitstelen im Friedhof verewigt, dazu kommen 3105 Namen von Toten, die noch nicht geborgen werden konnten, an die aber auf Wunsch der Angehörigen auf dem Friedhof erinnert wird.

Gebaut wurde der Friedhof vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, einem Verband, der sich zu 90 Prozent aus Spenden finanziert. Jedes Jahr im Oktober organisiert der Volksbund eine Sammlung, aber auch während des Jahres sind Spenden natürlich willkommen: Konto 4300603 bei der Postbank Frankfurt, BLZ 50010060. Weitere Infos unterwww.volksbund.deim Internet.

Krieg um die Ölquellen im Süden Russlands

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 stieß die deutsche Armee ab Oktober 1941 auf die Halbinsel Krim vor. Nach schweren Kämpfen war die Krim im Juli 1942 vollständig in deutscher Hand. Von dort über die Straße von Kertsch und von der Nordostküste des Asowschen Meeres führte die Sommeroffensive der Wehrmacht ab 28. Juni 1942 in Richtung Kuban und Kaukasus. Ziel waren die Ölfelder bei Maikop, Grosny und Baku. Die Erfolge waren zunächst enorm: Am 29. Juli standen deutsche Truppen am Terek, nicht weit von Grosny und nur noch 110 Kilometer vom Kaspischen Meer entfernt. Die Deutschen erreichten am 21. August 1942 sogar den Elbrus, den höchsten Berg des Kaukasus, aber es gelang ihnen nicht, weiter nach Südosten vorzustoßen und die großen Ölfelder von Baku zu erobern. Auch an der russischen Schwarzmeerküste stockte der deutsche Vormarsch — und bald folgten Gegenangriffe der Sowjets, so dass sich die Wehrmacht ab 28. Dezember 1942 aus dem Kaukasus auf den sogenannten Kuban-Brückenkopf zwischen Krasnodar und der Straße von Kertsch zurückzog. Dort verteidigen sich die Deutschen bis zum 9. Oktober 1943, als der Rückzug auf die Krim angetreten werden musste.

Im Kampfgebiet zwischen Rostow am Don im Norden und dem Kaukasus im Süden starben bei den Kämpfen zwischen Sommer 1942 und Herbst 1943 etwa 130000 deutsche Soldaten, unter ihnen viele Gebirgsjäger aus Bayern, Baden-Württemberg und Österreich.

Der Blick auf die Kreuzgruppe im Soldatenfriedhof Apscheronsk. — Kranzniederlegung der Volksbund-Landesverbände Bayern und Baden-Württemberg mit dem bayerischen Landesverbands-Vorsitzenden Dr. Wilhelm Weidinger und seinem Stellvertreter Dr. Erich Haniel sowie den Landesgeschäftsführern Dr. Martin Lunitz (Baden-Württemberg) und Gerd Krause (Bayern). — Inge Bleeker und Gudrun Beermann an der Stele mit dem Namen ihres Vaters Alfred Haas.

Ein russischer Veteran verneigt sich vor den Gefallenen des einstigen Gegners.

Knapp eineinhalb Meter unter der Dorfstraße von Saratovskaja lagen rund 65 Jahre lang die Gebeine von deutschen Gefallenen. Jetzt werden sie umgebettet. (Fotos: Michael Betz)

Verfasst von: LAndsichten | 17. November 2007

Volksbund-Reise 2007 – Teil 2

Aus: Landshuter Zeitung vom 17. November 2007

Der Krieg ließ nur Namen und Gräber übrig
Somme am 1. Juni 1916: Schwärzester Tag der britischen Kriegsgeschichte

Von Michael Betz

Ruhig liegt die Landschaft im Schein einer milden Herbstsonne. Die roten Ziegel und der weiße Sandstein eines Denkmals ragen über die Bäume mit ihrem herbstlichen Laub. Thiepval ist heute ein friedlicher Ort. Und doch ist das Dorf an der Somme in Nordfrankreich eine Stätte tausendfachen Todes, wo vor über 90 Jahren eine der verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkrieges stattfand. Das britische Denkmal erinnert an über 73000 Gefallene der Somme-Schlacht, die nach den Kämpfen nicht mehr identifiziert werden konnten. So wie hier halten entlang der Somme noch zahlreiche Denkmäler und Friedhöfe das Gedenken wach an eine Schlacht ohne Sieger — aber mit ingesamt rund 300000 Gefallenen auf beiden Seiten. Tote, von denen der Krieg oft nur die Namen übrigließ.

1916 waren in Frankreich und Belgien die Fronten des Ersten Weltkrieges im Stellungskrieg erstarrt. Die Deutschen versuchten als Ergebnis einer menschenverachtenden Militärdoktrin die Franzosen in Verdun „auszubluten“ — beide Seite verloren dabei hunderttausende Soldaten. Um ihre Verbündeten zu entlasten, faßten die Briten den Plan eines Angriffes an der Somme, dieser sollte mit einem vernichtenden Trommelfeuer beginnen. Dafür wurden in der Nähe der Front zwischen Beaumont-Hamel, Peronne und Chaumes in der französischen Picardie allein drei Millionen Granaten bereitgestellt für 1425 Geschütze der Alliierten. Mit der Feuerkraft dieser Kanonen sollten die deutschen Stellungen vollkommen zerstört werden, um danach einen Durchbruch erzielen zu können.Die Rechnung ging nicht auf, zu gut ausgebaut waren die deutschen Stellungen. So wurde der 1. Juli 1916, als die britische Attacke schließlich begann, zum schwärzesten Tag der britischen Kriegsgeschichte: Von 100000 Briten, die zum Angriff aus ihren Schützengräben geklettert waren, starben mindestens 20000, rund 40000 wurden verwundet. An einem Tag. Die Deutschen in ihren noch intakten Stellungen stellten an diesem Tag sogar teilweise das Feuer ihrer Maschinengewehre ein angesichts des Gemetzels, das sie anrichteten, wie zeitgenössische Quellen berichten. Nach dem zusammengebrochenen Angriff der Alliierten gaben sie so den britischen Verwundeten die Gelegenheit, sich zu den eigenen Linien zurückzuschleppen.Das Ausmaß menschlichen Leidens und Todes wird am britischen Denkmal in Thiepval deutlich. Auf einer Anhöhe gelegen, der einen der Brennpunkte der Somme-Schlacht darstellte, ist Thiepval heute mit rund 160000 Besuchern aus Großbritannien das meistbesuchte britische Gefallenen-Denkmal weltweit. „The Missing of the Somme“ steht eingemeißelt über dem Denkmal, das die Namen von 73367 britischen Soldaten trägt, die zwischen 1915 und 1918 in der Region gefallen sind, aber nicht namentlich identifiziert werden konnten: Der Mensch als hilfloses und anonymes Opfer eines mechanisierten Tötens.Dabei ist Thiepval mit seinem 45 Meter hohen Backstein-Turm keineswegs das einzige derartige Denkmal an der Somme. 410 britische Friedhöfe mit 129237 namentlich bekannten Gefallenen betreut die Commonwealth War Graves Commission in der Region, die gefallenen Franzosen fanden auf 20 Friedhöfen ihre letzte Ruhe, auf 13 Soldatenfriedhöfe an der Somme ruhen die Deutschen. Dabei ist auch die Art der Trauer unterschiedlich für jede Nation: „Mort pour la France“ — gestorben für Frankreich — steht auf jedem französischen Soldatengrab, die Deutschen haben schlichte Eisenkreuze mit Name, Dienstgrad und Todesdatum aufgereiht, die britischen Gräber aus weißem Sandstein liegen stets inmitten von Parkanlagen mit klassisch gepflegtem Rasen. Vereinzelt finden sich auf den britischen Soldatengräbern bewegende Sinnsprüche oder Erinnerungshinweise an Angehörige und Familie der Toten: Von geliebten Vätern oder Ehemännern, von Brüdern und Söhnen ist dann die Rede; eine Erinnerung in Stein, noch 90 Jahre nach dem Tod dieser Menschen ergreifend.Nicht immer geht es bei Denkmälern an der Somme um die Toten der Kämpfe — bei einem Monument steht eine technische Erinnerung im Vordergrund: Angesichts ihrer vergeblichen Bemühungen, die deutsche Front zu durchbrechen, setzten die Briten bei Pozieres an der Somme zum ersten Mal Panzer ein. Die 36 Tanks vom Typ „Mark I“, schwere und unbewegliche Ungetüme aus Stahl, konnten tatsächlich drei Kilometer auf deutsches Gebiet vordringen — dann blieben sie dann im Schlamm hängen oder wurden durch deutsche Artillerie abgeschossen. Die Deutschen drängten die Briten allerdings bald wieder zurück. Dennoch war dies die Geburtsstunde der modernen Panzerwaffe, an die bei Pozieres ein Denkmal erinnert.Panzer, Trommelfeuer, Schützengraben — das Universum der Schlachten im Ersten Weltkrieg. Doch als die Somme-Offensive am 19. November 1916 abgebrochen wurde, betrug der Geländegewinn der Alliierten gerade einmal zwölf Kilometer auf einer Frontbreite von 40 Kilometern. „Für die Briten bedeutete die Somme-Schlacht ihre größte militärische Tragödie im 20. Jahrhundert, ja in ihrer Geschichte überhaupt“, schreibt der Historiker John Keegan. So ist die Somme noch heute eine Region der Soldatenfriedhöfe vieler Nationen. Der Frieden ist heute wieder eingezogen in diese liebliche Landschaft, doch die Erinnerung ist geblieben.

Friedens-Mahnung für die Ewigkeit
Deutsche Bunker und Raketenbasen an der französischen Atlantikküste

Niemand wird diese Bauwerke mehr aus der Landschaft tilgen können, selbst Sprengstoff verliert hier seine Wirkung: Betonierte Befehlsstände, riesig klaffende Öffnungen von Geschützstellungen, eine gigantische Basis für den Abschuß von V2-Raketen. Der Zweite Weltkrieg hat an der französischen Küstenregion rund um Calais tiefe Spuren hinterlassen. Was heute vielerorts touristische Attraktion und Museum ist, sollte den Deutschen zum Ende des Zweiten Weltkrieges bei der Abwehr einer alliierten Invasion helfen. Ihren Zweck erfüllten die Bauten nie — und stehen noch heute als beängstigende Mahnmale gegen den Krieg.

Sprachlosigkeit dürfte jeden Besucher beim ersten Anblick des Bunkers von Eperlecques erfassen: 75 Meter breit, 40 Meter lang, 33 Meter hoch — ein Koloss aus verwittertem grauen Beton, drumherum ein weitläufiges Gelände voller Trümmer, groß wie Häuser. Die Deutschen wollten von hier aus V2-Raketen abschießen, innerhalb des Bunkers sollte Flüssigsauerstoff als Treibstoff der Waffen hergestellt werden. Massivste englische Bombenangriffe störten die Baumaßnahmen derart, daß sie Anfang 1944 eingestellt wurden. Im Bunker ging nur eine Flüssigsauerstoff-Produktion in Betrieb, die Raketen wurden von mobilen Startgeräten in der Umgebung abgefeuert.Doch obwohl nur ein Drittel der geplanten Bunkeranlage fertig wurde, bleibt doch der Eindruck einer erschreckend modernen Gigantomanie der Kriegführung: Unterirdisch sollten die Raketen angeliefert werden, in über 20 Meter hohen Hallen wären die Startvorbereitungen erfolgt, die von einem gepanzerten Kontrollturm beobachtet worden wären. Das Ziel der knapp 15 Meter hohen V2-Raketen mit ihrem 1000-Kilo-Sprengkopf wäre England gewesen. — Doch stattdessen kamen von dort die Flugzeuge, die mit bis zu sechs Tonnen schweren Bomben die Bauarbeiten in der Nähe von Calais in Nordfrankreich stoppten.Von der Natur können diese betonierten Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg nicht getilgt werden, ebensowenig wie Zeugnisse des Krieges an der Küste bei Cap Gris Nez. Hier, wo der Ärmelkanal seine schmalste Stelle hat und man an klaren Tagen die britische Insel durchs Fernglas erkennt, bauten die Deutschen eine ganze Festungslinie in die Hügel der Küstenregion. Dieser „Atlantikwall“ diente einerseits als Basis riesenhafter Geschütze, die bis nach England reichten, andererseits sollten die Bauten vor einer Invasion der Alliierten schützen. Diesen Zweck erfüllten die Bunker und Stellungen nie: Die Invasion fand weiter südlich in der Normandie statt, der Krieg vergaß die Festungen einfach.Anfangs wollte man ihnen mit Sprengstoff zu Leibe rücken, allerdings widerstanden sie den Zerstörungsversuchen. So lebt man heute in Nordfrankreich mit ihnen und auch von ihnen: Die „Batterie Todt“, ein riesiger Geschützbunker bei Cap Gris Nez, ist keineswegs das einzige Museum rund um den ehemaligen Atlantikwall. Am Cap selbst begegnet man am Rand der steilen Felsklippen auch immer wieder Resten von Beobachtungsstellungen, Magazinbunkern und Befehlsständen. Auch hier werden die Narben der Landschaft erhalten bleiben. Nur einen der riesigen Geschützbunker in der Nähe gibt es nicht mehr: Er liegt unter einem Berg mit Aushub des Kanaltunnels zwischen Frankreich und Großbritannien. So läßt friedliche Arbeit am geeinten Europa zumindest kleine Teile der Kriegserinnerungen verschwinden.

Die Opfer zweier Weltkriege
Deutsche Soldatenfriedhöfe im nördlichen Frankreich

Von den Menschen im Krieg bleiben 89 Jahre nach dem Ende des Ersten und 62 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nur Erinnerungen — und Gräber auf den Soldatenfriedhöfen. Auch in Nordfrankreich hat der Krieg diese Stätten des Todes hinterlassen und mit die Mahnung gegen den Krieg. Die deutschen Friedhöfe werden vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gepflegt und unterhalten. Seit 1919 kümmert sich diese Organisation im staatlichen Auftrag um die Gräber der gefallenen Soldaten.

Gerade in Frankreich ist das eine sehr umfangreiche Aufgabe: 930000 deutsche Soldaten fielen hier im Ersten Weltkrieg, der untrennbar mit Namen wie Verdun oder der Somme verbunden ist. Im Zweiten Weltkrieg gab es 240000 deutsche Soldaten, die in Frankreich gefallen sind — zum einen während des „Frankreich-Feldzuges“ 1940 und zum anderen nach den Kämpfen im Zuge der Invasion ab Juni 1944.Teilweise fanden die Kämpfe des Ersten und Zweiten Weltkrieges in den gleichen Regionen statt: So befindet sich der deutsche Soldatenfriedhof Bourdon an der Somme, wo auch im Ersten Weltkrieg verlustreiche Kämpfe stattfanden. Der Friedhof mit seinen 22214 Toten liegt südlich der Straße von Amiens nach Abbéville auf einer kleinen Anhöhe. Jeweils sechs Namen tragen die Grabkreuze aus Kalksandstein, die in einem gepflegten Rasen- und Baumgelände aufgereiht sind.Für diese Toten des Zweiten Weltkrieges finden sich noch immer im Besucherbuch des Friedhofes Anmerkungen naher Verwandter, die hier die Gräber ihrer Angehörigen besuchen; die Toten des Ersten Weltkrieges sind schon weiter von der Erinnerung der Lebenden entfernt. Nur selten erinnert an den Gräberfeldern der Somme ein Kranz namentlich an einen toten deutschen Soldaten. Dennoch werden die Toten geehrt, auch vom ehemaligen Gegner: Britische Besuchergruppen legen oft Kränze mit roten Mohnblumen nieder, die dort als Symbol der Erinnerung an die Kriegstoten gelten. Auf dem deutschen Soldatenfriedhof Fricourt an der Somme spielt dabei auch die Erinnerung an einen Toten mit, der dort gar nicht mehr begraben liegt: Bis 1925 war hier Manfred von Richthofen beerdigt, der legendäre „Rote Baron“, der am 21. April 1918 über der Somme abgeschossen worden war. 1925 wurde Richthofen zunächst in Berlin bestattet, mittlerweile ist sein Grab in Wiesbaden.Wie auf allen deutschen Soldatenfriedhöfen des Ersten Weltkrieges tragen in Fricourt Metallkreuze die Namen der identifizierten Toten, dies sind hier rund 5000. Die übrigen 12000 Gefallenen, von denen man bei 5300 die Namen kennt, sind in Gemeinschaftsgräbern bestattet. So haben diese Friedhöfe mit ihren Kreuz- und Grabreihen eine besonders eindringliche Atmosphäre, ob in Fricourt oder im nahen Rancourt, wo 11422 Tote der Kämpfe an der Somme liegen. 91 Jahre nach den großen Schlachten in diesem Gebiet bleiben die Friedhöfe hier, was sie immer schon waren: Orte der Trauer, der Erinnerung und der Mahnung: Gegen Krieg und Gewalt.

Bildunterschriften:

Der britische Friedhof Serre Road an der Somme (Bild links); wie alle britischen Soldatenfriedhöfe liegt er inmitten der ehemaligen Kampfgebiete. — Das Denkmal von Thiepval mit seinem 45 Meter hohen Torbogen erinnert an über 73000 Gefallene Briten ohne bekannte Grabstätte. Vor dem Denkmal liegt auch auch das Gräberfeld eines französischen Friedhofs. — In Fricourt sind rund 17000 deutsche Gefallene der Somme-Schlachten beerdigt.(Fotos: Michael Betz)

Dauerhafte Zeugnisse des Krieges: Deutsche Beobachtungsbunker in den Klippen bei Cap Gris Nez (links) und der riesige Bunker im Wald bei Eperlecques. Von hier aus sollten V2-Raketen gegen England abgefeuert werden.

Auch der Zweite Weltkrieg hinterließ deutsche Soldatengräber in Nordfrankreich: Auf dem Friedhof Bourdon sind 22214 Gefallene bestattet.

Landshuter Zeitung vom 17. November 2007

Verfasst von: LAndsichten | 14. Oktober 2007

Volksbund-Reise 2007 – Teil 1

Aus: Landshuter Zeitung vom 14. Oktober 2007

Wälder aus Kreuzen, Meere des Todes
Mit der Kriegsgräberfürsorge auf den Soldatenfriedhöfen in Nordfrankreich und Belgien

Von Michael Betz

Tief gebeugt blickt die Frau nach unten. Sie kniet auf dem Boden, wie zum Schutz gegen die Welt halten dabei ihre verschränkten Hände den Mantel verschlossen. Neben ihr der Mann: Regelrecht trotzig seine Haltung, abweisend sind seine Arme vor der Brust. Mit zwei lebensgroßen Granitskulpturen gab die Künstlerin Käthe Kollwitz auf dem deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien der Trauer über die Kriegstoten ein Gesicht. Zu Füßen der beiden Figuren fällt der Blick auf einen der Namen auf den Grabplatten aus schwarzem Stein: Peter Kollwitz.

Käthe Kollwitz schuf mit ihrer Plastik „Trauerndes Elternpaar“ 1932 einen sichtbaren Ausdruck für das Leid von Millionen Eltern nach dem Ersten Weltkrieg — auch für die eigene Trauer über ihren toten Sohn, der 1914 in Flandern gefallen ist und heute in Vladslo ruht. Von den 25644 Toten auf diesem deutschen Soldatenfriedhof im westlichen belgischen Flandern bleiben heute fast nur die Namen. Die Erinnerung beginnt zu verblassen, 90 Jahre nach den schlimmsten Kämpfen in Flandern. Doch überall hier erinnern noch die Friedhöfe des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an gefallene deutsche Soldaten.Speziell Nordfrankreich und der belgische Teil von Flandern sind regelrechte Friedhofsregionen, ein Land der toten Soldaten, seitdem hier von 1914 an den ganzen Ersten Weltkrieg hindurch gekämpft wurde. Die Wunden der Landschaft, die der Krieg in eine schlammige Ödnis verwandelt hatte, heilte die Zeit, doch die Friedhöfe sind geblieben.Ein ganzer Wald von Kreuzen, ein Meer des Todes: Mehr als 11000 schwarze Grabkreuze aus Eisen ziehen sich über den Rasen des deutschen Soldatenfriedhofes Neuville-St. Vaast, auf dem insgesamt 44833 Gefallene ruhen. Dieser größte deutsche Soldatenfriedhof des Ersten Weltkrieges in Frankreich liegt nahe der Stadt Arras im Departement Nord-Pas de Calais. 1915 und 1917 fanden in diesem Gebiet besonders schwere Kämpfe statt, mit unfaßbaren Opfern und minimalem militärischem Erfolg: Im Zuge der „Loretto-Schlacht“ bei Arras fielen im Mai und Juni 1915 132000 Mann der britisch-fränzösischen Truppen, die deutschen Verluste betrugen hier 73000 Soldaten — all das für einen alliierten Geländegewinn von 1,9 Kilometer auf einer 5,4 Kilometer breiten Front.Und der Materialeinsatz zur Tötung des Gegners stieg und stieg: Allein bei der dritten Flandern-Schlacht im Raum Ypern im Juli 1917 hatten die Briten an einem elf Kilometer langen Frontabschnitt 2299 Geschütze postiert — alle fünf Meter eines. Vier Millionen Granaten wurden von den Briten im Rahmen dieser Offensive verschossen. Von den Soldaten hinterließ dieser Stellungskrieg oft nur noch zerstückelte Leichen im umgewühlten Boden Flanderns: „Das Innere der Granattrichter ist so weich, daß man darin völlig versinken könnte. In ihnen müssen hunderte von deutschen Gefallenen begraben sein und jetzt pflügen ihre eigenen Granaten das Gelände noch einmal um und bringen sie wieder zum Vorschein“, schreibt am 4. August 1917 der Kommandeur eine britischen Batterie vor Ypern.So tragen viele Kreuze auf den Soldatenfriedhöfen des Ersten Weltkrieges ähnliche Aufschriften: „Ein unbekannter deutscher Soldat“, „Inconnu“ oder „An unknown soldier of the Great War“. Und die Erde Flanderns gibt immer noch Tote frei: „Allein in der Region um Ypern findet man bei Bauarbeiten pro Jahr noch fünf bis zehn deutsche Gefallene und ebensoviele Briten“, weiß Horst Howe zu berichten, der Repräsentant des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Belgien. Anhand gefundener Ausrüstungsgegenstände erkennt man die Nationalität der Toten, eine persönliche Identifizierung ist kaum mehr möglich, fügt Howe an und zeigt aus dem Boden geborgene Kriegsrelikte: französische Feldflaschen, englische Patronenmagazine, Messing-Adler von deutschen Pickelhauben.Gut kennt Horst Howe auch die Geschichte des deutschen Soldatenfriedhofes Langemark in Belgien. Vor allem in der Zeit zwischen den Weltkriegen hatte dieser Name einen besonderen Klang für die Kriegs-Generation, sollen doch hier im Oktober und November 1914 junge deutsche Kriegsfreiwillige mit dem Lied „Deutschland, Deutschland über alles“ während der ersten Ypern-Schlacht in den Tod aus den englischen Kanonen und Maschinengewehren gegangen sein. — Eine von der Propaganda geschaffene Geschichte. Wahr ist an diesem „Kindermord von Ypern“ (eine zeitgenössische Bezeichnung) nur die Zahl von mindestens 41000 gefallenen deutschen Freiwilligen, die teilweise direkt aus den Universitäten kamen. Das Deutschland-Lied wurde damals, wenn überhaupt, nur als Orientierungshilfe der Soldaten im Nebel Flanderns gesungen.Die 1914 mangelhaft ausgebildeten und von einer gewissenlosen Führung in den Tod geschickten Studenten liegen in Langemark größtenteils in einem Massengrab, allein 25000 der 44926 Toten dieses Friedhofes sind dort bestattet — es ist das größte Kameradengrab auf einem deutschen Soldatenfriedhof überhaupt. Auf dem Gelände des Gräberfeldes zeichnet eine Reihe von Steinblöcken die Frontlinie des Weltkrieges mitten über den Friedhof nach, betonierte Bunker liegen noch im Gelände.Der Soldatenfriedhof Langemark ist einer der Orte, an denen menschliches Leid und die Konfrontation mit dem Tod im Krieg greifbar sind. Doch die Deutschen interessieren sich dafür kaum: Rund 100000 Besucher hat der Friedhof Langemark pro Jahr zu verzeichnen, präsentiert Horst Howe aktuelle Zahlen. Doch nur wenige Deutsche sind darunter: 90 Prozent der Besucher sind Briten, viele von ihnen Schüler, für die der Besuch der Schlachtfelder des „Great War“ auf dem Schul-Lehrplan steht. In Deutschland vergißt man die Vergangenheit vielfach — Soldatenfriedhöfe auf dem Lehrplan sind kein Thema hierzulande. Dabei ist nichts ein größeres Plädoyer für den Frieden als die Wälder von Grabkreuzen in Nordfrankreich und Flandern.Die Briten und mit ihnen die Nationen der Alliierten des Ersten Weltkrieges pflegen auch in Ypern selbst eine sehr lebendige Form der Erinnerung: Jeden Abend geht im Menen-Tor am Ende des Stadtzentrums von Ypern die Zeremonie des „Last Post“ über die Bühne. Mehrere hundert Zuschauer, viele von ihnen Touristen aus dem nahegelegenen Großbritannien, beten dabei Tag für Tag gemeinsam für die Gefallenen und erweisen ihnen mit einer Schweigeminute und einem Trompetensignal die letzte Ehre. Das Tor ist ein riesiges britisches Ehrenmal für 58600 Soldaten. Vor den Tafeln mit den Namen der Gefallenen liegen Kränze aus Mohnblumen — in England das Symbol der Erinnerung an alle Kriegstoten. Ein Zeichen mit Wurzeln in Flandern: Über den Schlachtfeldern blühten während des Weltkrieges als erstes wieder die Mohnblumen.Dieses Zeichen der Erinnerung findet sich auch stets auf deutschen Soldatenfriedhöfen der Weltkriege. Die Gegner von einst sind heute versöhnt, die Menschen des Ersten Weltkrieges waren ohnehin nie persönliche Feinde, sondern nur Werkzeuge der Politik. Auch in Vladslo liegt vor der Skulptur des „Trauernden Elternpaares“ ein Kranz aus Mohnblumen. Wie alle vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge betreuten Deutschen Soldatenfriedhöfe ist die Anlage sorgsam gepflegt — auch dafür werden die Spenden der Bevölkerung Jahr für Jahr verwendet (siehe nebenstehenden Artikel). Allein in Frankreich sind 192 deutsche Friedhofsanlagen des Ersten Weltkrieges zu unterhalten, in Belgien gibt es vier große Sammelfriedhöfe des Ersten Weltkrieges. Der Trauer aller Angehörigen gab Käthe Kollwitz mit ihrer Skulptur in Vladslo eine Gestalt. Ein Vergessen entwertet diese Trauer, auch noch 89 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges.

Tausendfacher Tod im Schlamm
Vor Ypern setzten die Deutschen erstmals Giftgas ein

Der Name Flandern stand vor dem Ersten Weltkrieg vor allem für eine reiche Region im heutigen Grenzgebiet zwischen Belgien und Frankreich: Mit Tuchhandel war Ypern reich geworden. Nach dem Krieg blieb entlang der Front, die sich von Arras und Lille in Frankreich direkt nach Norden über Ypern zur belgischen Kanalküste zog, nur Verwüstung. Die historische Innenstadt von Ypern war vollkommen zerstört, der Wiederaufbau dauerte bis in die 60er Jahre.

In den Mittelpunkt der Schlachten des Ersten Weltkrieges rückte Ypern, nachdem der deutsche Vormarsch im September 1914 kurz vor Paris zum Stehen gekommen war: In einem regelrechten Wettlauf zum Meer bildete sich danach nordwärts von Paris die Frontlinie über Arras, Lille und Ypern bis an die Küste.1914 fand vom 20. Oktober bis zum 18. November die erste Ypern-Schlacht statt. Ohne Erfolg stürmten die deutschen Truppen, unter ihnen zahlreiche Verbände aus Bayern, gegen die englischen Stellungen an. Allein in dieser Zeit verloren die Deutschen an diesem Frontabschnitt 49000 Tote und Verwundete sowie 16000 Vermißte — unter ihnen zehntausende junge Freiwillige, die vor Langemark fielen.Am 22. April 1915 eröffneten die Deutschen bei Ypern mit dem ersten Gasangriff an der Westfront eine neue Dimension des Kampfes: Aus 6000 Stahlflaschen wurde Chlorgas auf französische Kolonialtruppen und Kanadier an diesem Frontabschnitt abgeblasen. Allein 4500 Tote forderte das Gas an diesem Tag unter den Alliierten.Von 31. Juni bis 10. November 1917 versuchten die Alliierten in der dritten Ypern-Schlacht mehrmals, die deutschen Stellungen zu durchbrechen. Die deutsche Artillerie in diesem Abschnitt verbrauchte zwischen dem 1. Juli und dem 15. November 1917 rund 18 Millionen Granaten — der Verbrauch der Alliierten betrug das Sechsfache. Noch heute gibt es Tote und Verletzte durch Blindgänger aus dem Weltkrieg.Das Leid der Soldaten beider Seiten erscheint aus heutiger Sicht kaum faßbar: Das Land zwischen Ypern und der Kanalküste liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel, das hohe Grundwasser sammelte sich in den Schützengräben und Granattrichtern, wo immer wieder Verwundete qualvoll ertranken.Bei den Kämpfen in Flandern verloren mindestens 420000 Soldaten beider Seiten ihr Leben. Ein entscheidender Durchbruch konnte hier von keiner kriegsführenden Partei erzielt werden.

Gegen ein Vergessen der Gräber

Deutsche Kriegsgräber aus beiden Weltkriegen gibt es in fast 100 Ländern der Erde. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge unterhält 836 Kriegsgräberstätten in 44 Staaten. Allein in Frankreich ruhen auf 192 Anlagen 755000 Gefallene des Ersten Weltkrieges. Jugendliche halfen und helfen in deutschen und internationalen Jugendlagern dem Volksbund bei der Erhaltung und Pflege der Kriegsgräber: In Neuville-St. Vaast bei Arras organisiert der Landesverband Bayern des Volksbundes alljährlich ein Jugendlager. Die jungen Leute leben in Gastfamilien und lernen auf vielfältige Weise neben der Arbeit im Friedhof Land und Leute kennen. Nähere Informationen für Interessenten gibt es unter www.volksbund.de im Internet

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, die Gräber der deutschen Kriegstoten im Ausland zu erfassen, zu erhalten und zu pflegen. Heute hat der Volksbund 1,5 Millionen Mitglieder und Spender. Mit ihren Beiträgen und Spenden sowie den Erträgen aus der Haus- und Straßensammlung, die heuer vom 22. Oktober bis zum 1. November stattfindet, finanziert der Volksbund zu etwa 90 Prozent seine Arbeit. Den Rest decken öffentliche Mittel des Bundes und der Länder.Nach der politischen Wende in Osteuropa nahm der Volksbund seine Arbeit auch in den Staaten des einstigen Ostblocks auf, wo im Zweiten Weltkrieg etwa drei Millionen deutsche Soldaten ums Leben kamen. Diese Aufgabe stellt den Volksbund vor immense Schwierigkeiten: Viele der über hunderttausend Grablagen sind nur schwer auffindbar, zerstört, überbaut oder geplündert. Trotzdem richtete der Volksbund während der letzten Jahre über 300 Friedhöfe des Zweiten Weltkrieges und 190 Anlagen aus dem Ersten Weltkrieg in Ost-, Mittel- und Südosteuropa wieder her oder legte sie neu an. Dazu zählen 51 Sammelfriedhöfe. 32 Anlagen sind im Bau bzw. werden in Stand gesetzt.

Bildunterschriften:

Käthe Kollwitz schuf die Skulptur des „Trauernden Elternpaares“ auf dem deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien (links). — Versöhnung über den Gräbern: Ein Strauß mit den typischen britischen Mohnblumen auf deutschen Soldatengräbern in Langemark (Mitte). — Auf den Vimy-Höhen bei Arras wurden deutsche Schützengräben für ein Museum rekonstruiert. 1917 erlitten hier kanadische Truppen schwere Verluste. (Fotos: Michael Betz)

Der französische Soldatenfriedhof in der Nähe von Neuville bei Arras.

Mehr als 11000 Grabkreuze aus Eisen erinnern auf dem deutschen Soldatenfriedhof Neuville-St. Vaast bei Arras in Nordfrankreich an die Gefallenen.

Mehrere hundert Zuschauer (oben) verfolgen täglich die Zeremonie des „Last Post“ am Menen-Tor in Ypern.

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